Keltische Sprache(n) und literaturen

 

„Keltisch“ ist ein Zweig der indogermanischen Sprachfamilie. Die keltischen Sprachen unterscheiden sich linguistisch durch charakteristische Merkmale von anderen alteuropäischen Sprachen, z. B. durch Lautveränderungen wie Lenition und den Verlust von p.

Die inselkeltischen Sprachen stehen in einem genetischen Zusammenhang untereinander und mit Resten des Festlandkeltischen.



festlandkeltisch/kontinentalkeltisch

 

Die festlandkeltischen/kontinentalkeltischen Sprachen sind vor allem durch aus dem 6. Jh. bis 2. Jh. v. Chr. stammende Inschriften, Lehnwörter, Onomastik (Namenskunde) und antike Autoren überliefert. Es gibt wenige Texte (insgesamt nur ca. 500 Worte), Münzlegenden, Votivtexte, Grabsteine, Rechtstexte, Personen-, Orts- und Städtenamen.

 

LEPONTISCH

 

Lepontisch (Norditalien) ist die früheste belegte festlandkeltische Sprache mit den ältesten Inschriften aus dem 6. Jh. v. Chr.

Der größte Anteil der erhaltenen Inschriften ist aus frühlepontischer Zeit (6. Jh. bis Anfang des 4. Jhs. v. Chr.) überliefert. In der mittellepontischen Zeit (4. Jh. bis 3. Jh. v. Chr.) existierte nach der Einwanderung gallischer Stämme als Träger der (die Golasecca-Kultur überlagernden) Latènekultur parallel zum Lepontischen das Cisalpingallische. Die vereinzelten spätlepontischen (2. Jh. bis 1. Jh. v. Chr.) Inschriften stammen von größtenteils romanisierten Lepontiern.

Das Lepontische ist im nordethruskischen Luganoalphabet niedergeschrieben, welches nicht zwischen stimmhaften und stimmlosen Konsonanten unterscheidet.

Bekannt sind 150 (linksläufige) Inschriften von bis zu sieben Wörtern auf Grabsteinen, Keramik, Urnen, Münzen und als Weiheinschriften:

  • Die älteste Inschrift lautet xosioiso (um 575 v. Chr.), ein Personenname mit einer Endung im Genitiv Singular auf einem Trinkbecher.
  • Die Steininschrift von Vergiate (Anfang des 5. Jhs. v. Chr.) entstand anlässlich einer Weihe: PelKui (Dativ Sg., Personenname, ihm wird etwas gewidmet) Pruiam (Akkusativ Sg., Gewidmetes) Teu (Nominativ Sg., Widmer) KariTe isos (Pronomen) KaliTe (Verbalform 3. Ps., „widmen“) Palam (Akkusativ Sg., etwas, das errichtet wird, Lehnwort).
  • In der Inschrift von Davesco A (ca. 3. Jh. v. Chr.) wird eine Doppelbestattung ausgedrückt: slania urKalai Pala („Für Slania, Tochter von Uerkos, eine Stele“); Tisiur Piuotialui Pala („Für Tisos, Sohn von Piuotios, eine Stele“).
  • Auf einem Tonkrug befindet sich die Inschrift von Ornavasso: laTumarui saPsuTai Pe uionom násom („für Latumaros und Sapsuta: naxischer Wein“).

 

Aus dem Cisalpingallischen (Nordwestitalien) sind 6 bis 10 teilweise zweisprachige (lateinische und gallische) Inschriften überliefert, z. B. die Inschrift von Vercelli in Form einer Bilingue, die Inschrift von Briona KARNITU(S) („etwas aus Stein errichten“) und die Bilingue von Todi mit dem gallischen Patronym TRUTIKNOS („Sohn des Drutos“).

 

 

KELTIBERISCH

 

Das Keltiberische (Spanien, Zentrum der Iberischen Halbinsel) wird mit dem Widerstand gegen die römische Eroberung im 2. Punischen Krieg (218 bis 201 v. Chr.) und der Gründung der römischen Provinzen fassbar. Nach dem Krieg um das Oppidum der Arevacer, Numantia, (154 bis 133 v. Chr.) wurden die Keltiberer romanisiert. Zwischen 133 und 70 v. Chr. entstand ein Großteil der erhaltenen Inschriften, niedergeschrieben in einer Variante der iberischen Schrift (mit einer Mischung aus Silben- und Lautschrift und keinem Unterschied zwischen stimmhaften und stimmlosen Konsonanten).
Aus dem 2. Jh./1. Jh. v. Chr. gibt es ca. 200 Inschriften: Münzlegenden mit Prägeorten (meist Oppida-Namen), Grab- und Weiheinschriften, Inschriften auf Keramikgefäßen, Bronzefragmente, tesserae hospitales und onomastische Formulare ((Eigen)Name, Familienname, Vatername, „Sohn“/Titel, Wohnort).

  • Die bekanntesten keltiberischen Inschriften werden als Botorrita I.-IV. bezeichnet, ein beidseitiger keltiberischer Text juristischen Inhalts auf Fragmenten von Bronzetafeln. Botorrita I. (172 bis 186 Worte) mit Text und Unterschriften enthält Bestimmungen zur Nutzung eines heiligen Areals und Personennamen. Da der Text verhältnismäßig lang ist, sind Aufschlüsse über Grammatik, Verbalsystem und die Satzstellung Subjekt-Objekt-Verb möglich. Botorrita II. ist ein jüngerer lateinischer Text von 87 v. Chr. mit für die Nachbarstädte gültigen Bestimmungen (der Inhalt ist ein juristischer Streit iberischer Siedlungen um Nutzungsrechte von Wasser) und dem antiken Namen von Botorrita (Contrebia Balaisca). Botorrita III. stellt mit 552 Worten die längste keltiberische Inschrift dar und besteht aus einer kurzen Einleitungsformel und Personennamen. Botorrita IV. weist Parallelen zu I. auf und enthält das Wort tirikantam, möglicherweise eine Art juristische Einleitung.
  • In Penalba de Villastar wurden mehrere Inschriften in einer Felswand entdeckt. Sie sind in verschiedenen Schriften und Sprachen verfasst. Neben überwiegend Personennamen befindet sich auf der Felswand eine „große“ (Weihe)Inschrift mit 18 keltiberischen Worten in lateinischer Schrift: z. B.   LUGUEI („dem Lug“) als erstem Beleg für den Gott Lug bei den Keltiberern, SISTAT („stellt auf“ oder „hat aufgestellt“, Verbalform), TOGIAS („etwas Überdachtes“).
  • Aus Torrijo del Campostammt eine einseitig beschriebene Bronzetafel mit Transaktionen zwischen Personen und Personengruppen.
  • Tesserae hospitales, kleine figürliche oder abstrakte Bronzegegenstände, tragen Inschriften von Personen- oder Ortsnamen und sind somit ein Beleg für Gastfreundschaftsverträge: z. B. die tessera von Uxama mit der Nennung des antiken Ortsnamens (Osma: antos; karou…kortika: „Freundschaftsurkunde“).

 

GALLISCH

 

Gallisch (Frankreich) ist die am besten bezeugte kontinentalkeltische Sprache. Streng genommen ist sie die Sprache der antiken Gallier, wird aber in Bezug auf alle kontinentalkeltischen Sprachzeugnisse außer lepontischen und keltiberischen verwendet. Belege außerhalb Galliens sind vor allem Götter- und Personennamen.

Die römische Expansion ab der Mitte des 2. Jhs. v. Chr. führte zur Gründung der Provinz Gallia Narbonensis. Nach der Eroberung ganz Galliens 58 bis 51 v. Chr. setzte eine rasche Romanisierung ein, die eine gallo-römische Mischkultur mit einem lateinisch beeinflussten Gallisch als Alltagssprache (bis in das 4. Jh.) hervorbrachte.
Galatisch (Zentralanatolien) ist ausschließlich in Form von Nebenüberlieferungen in anderen Quellen mit insgesamt ca. 120 Worten erhalten.
In Ostkeltisch („Norisch“) verfasst wurde z. B. die Inschrift von Grafenstein (2. Jh.) auf einem Ziegelfragment mit der Nennung des Gottes Lug (Lugni (si)).
Das Gallische kommt in drei verschiedene Schriften vor: dem ab dem 3. Jh. v. Chr. (bei Marsaille) verwendeten griechischen Alphabet mit der Besonderheit des tau gallicum Ө, dem Lugano-Alphabet (cisalpin-gallische Inschriften) und dem im gallischen Sprachraum nach Eroberung durch Caesar verwendeten lateinischen Alphabet.
Im griechischen Alphabet sind ca. 300 Inschriften niedergeschrieben, davon 60 „größere“: Münzlegenden, Grabinschriften (meist nur ein Personenname + Patronym) und formelhafte Weiheinschriften mit dede („gegeben“, z. B. die Inschrift von Nîmes) und ieuru („gestiftet“, z. B. die Inschrift von Vaison).
Ca. 100 „größere“ Inschriften sind in der lateinischen Kursive verfasst: Graffiti auf Keramikgegenständen (wie Besitzerinschriften, Abrechnungen, Töpfermarken und Töpferstempel (z. B. Zahlen auf den Töpfereiprodukten von La Graufesenque)), Inschriften auf Metallgegenständen wie z. B. Fluchtexte und magische Texte und handschriftlich überlieferte gallische Wörter aus der Spätantike.

  • Auf einem Gebäudestein befindet sich die Weihinschrift von Alisia (Alise-Saint-Reine): „Martialis [Sohn] des Dannotalos, hat gegeben (gestiftet/geweiht) dem Ucuetis dieses Heiligtum (?), welches von den Schmieden [errichtet wurde], die verehren des Ucuetis in Alisia“; Name (römisch), Patronym (gallisch, Genitiv), Verb (ieuru), Gott (Ucuetis (Schmiedegott)), Celicnon (Gebäude), Füllwort (etic), Relativsatz: Schmied (Dativ Pl.: Gobedbi), Verbalform (-onti).
  • Der (Mond)Kalender von Coligny besteht aus Fragmenten einer Bronzetafel aus dem (1.)/2. Jh. Er verzeichnet 5 Jahre mit je 12 Monaten (+ 2 Schaltmonate), die abwechselnd über 29 (schlechte) und 30 (gute) Tage verfügen. Es sind zudem die Namen aller Monate überliefert, der erste Monat ist SAMON[…]; SAMONI. Weitere Worte sind z. B. MIÐ („Monat“) und TRINOX SAMONI SINDIV, ein Beleg für das Samhain-Fest am Kontinent?
  • Magische Inschriften wurden zahlreich gefunden, z. B. die Bleitafel von Chamaliéres (erste Hälfte des 1. Jhs.) aus einem gallo-römischen Quellenheiligtum. Sie besteht aus 12 Zeilen mit 60 Wörtern eines gegliederten Textes mit Einleitungsformel, Anrufung des Gottes Maponos und magischen Beschwörungen (Segens- oder Schadenszauber?). Es lassen sich Entsprechungen zum Altirischen feststellen: Verbum uediíu-mí (1. Ps. Sg.) – air. guidit („beten“), brixtía, gall. *brixtā („Zauber“, „Magie“) – air. bricht, adgarion („Der Vorrufer“) – air. ad-gair („anrufen“, „um etwas bitten“). Die Worte toncnaman toncsiíontío könnten eine Art von Schwur sein. Der Mittelteil der Tafel enthält magische Beschwörungen (exsops pissíiumí: „als Blinder werde ich wieder sehen“). Die Inschrift endet mit „es möge mittels des Zauberspruchs so geschehen“ und dreimal der Formel luge dessumíis. In einem gallo-römischen Gräberfeld wurde auf einem Urnendeckel die Fluchtafel von Larzac (Ende des 1. Jhs.) gefunden, in Form von zwei beidseitig mit insgesamt 160 Wörtern beschrifteten Fragmenten einer Bleitafel, deren Inhalt Zauber und Gegenzauber praktizierende Frauen mnas (…) brictas sind. Das Bleiamulett von Lezoux ist ein Bleitäfelchen mit Loch und magischem Text.
  • Der Teller von Lezoux (einem Töpfereizentrum) ist mit moralisierendem Inhalt versehen. Die Inschriften von La Graufesenque (einer Terra Sigillata-Manufaktur in Südgallien) bedienen sich einer gallisch-lateinischen Mischsprache in Form von „Töpferrechnungen“: tuØos („Brand“) + gallische Ordinalzahl (z. B. namet[os] „neunter“).

Bis etwa zum 4. Jh. existierte eine gallo-römische Mischsprache der Landbevölkerung, die später zu Vulgärlatein wurde.  Das wichtigste Zeugnis der Übergangsphase ist der Ziegel von Châteaubleau. Daneben gibt es literarische Quellen mit gallischen Worten oder Phrasen (z. B. in Heiligenviten), medizinische Traktate, Endlichers Glossar (4. Jh./5. Jh.) mit 17 gallischen Worten mit einer lateinischen Übersetzung (z. B. lautro. balneo („Bad“), auallo. poma („Apfel“). Inschriften auf Spinnwirteln (3. Jh. bis 4. Jh.), mit lateinischer Grundstruktur und gallischem Wortschatz, haben meist erotischen Inhalt: z. B. nata vimpi pota vinum („schönes Mädchen, trink Wein“), geneta imi daga vimpi („mein schönes gutes Mädchen”), moni gnatha gabi budduton imon („schönes Mädchen nimm mein Schwänzchen“).

 

 

inselkeltisch

 

Die inselkeltischen Sprachen gliedern sich in den goidelischen Zweig mit den gälischen Sprachen Irisch-Gälisch, Schottisch-Gälisch und Manx sowie einen britannischen Zweig mit Kumbrisch, Walisisch, Kornisch und Bretonisch. Sie sind erst ab dem 4. Jh./5. Jh. bezeugt. Britannische Sprachen waren ursprünglich endbetont. Typisch für die inselkeltischen Sprachen sind Wortanfangs- bzw. Anlautmutationen.

Die mittelalterliche Schriftkultur „keltischer“ Länder war zweisprachig, mit Latein neben der vernakulären Sprache. In der Gegenwart gibt es auf den britischen Inseln und in der Bretagne vielerorts Bemühungen zur Erhaltung und Wiederbelebung der keltischen Sprachen

 

IRISCH/GÄLISCH

 

Das Irische verfügt über die längste und umfangreichste literarische Tradition der keltischen Sprachen mit teilweise auf vorliterarische Zeiten zurückgehenden Elementen und Motiven sowie eine relativ archaische und für die inselkeltischen Sprachen exemplarischen Grammatik: Mutationen mit einer Veränderung des Anlautes des folgenden Wortes (Lenition (bráthair [brāӨər`], a bráthair [a vrāӨər`], Aspiration (a ech [a hex], Nasalisierung: (a n-ech [a nex])) und die Wortfolge Verb-Subjekt-Objekt.
Die Sprachgeschichte des Irischen beginnt mit Ogamirisch (4. Jh. bis 6. Jh./7. Jh.), einem auf Steinkanten eingeritzten phonetischen System (Verschlusslaute, Resonanten, Vokale) aus Strichen und Punkten. Die flektierten Endungen korrespondieren mit den kontinentalkeltischen Sprachen.
Auf das archaische Irisch folgte das klassische Altirisch (8. Jh. und 9. Jh.) mit der Betonung auf der ersten Wortsilbe und der Endung Schwa ə (geschwächte Vokale). Es ist die Sprache der meisten bekannten irischen Dichtungen – mit zwei Formen, der silbenzählenden, strophischen und gereimten Dichtung mit den zwei großen Versmaßtypen deibide (aabb) und rannaigecht (abcb), sowie dem rhythmischen archaisch-retoiric-Stil. Werke der altirischen Erzählliteratur, Sagen und Sagenzyklen, sind in drei großen Sammelkodizes aus vor-normannischer Zeit (vor 1169) überliefert: dem Lebor na hUidre/Book of the Dun Cow (ca. 1100), Rawlinson B 502 (Anfang des 12. Jhs.) und dem Lebor Laignech/Book of Leinster (ca. 1166). Bedeutende Handschriften aus nach-normannischer Zeit sind das Yellow Book of Lecan (Ende des 14. Jhs.), Book of Ballymote (1418), Book of Lecan (1418), An Leabhar Breac (Anfang des 15. Jhs.) und Laud 610 (15. Jh.). In den mittelalterlichen Sagenlisten wird die erzählende Literatur nach Schlüsselwörtern im Titel der Geschichten unterschieden: z. B. tána: Erzählungen von Rinderrauben, catha: Schlachten, immrama: Seereisen, echtrai: abenteuerliche Reisen, tochmarca: Brautwerbungen. Ihrem Inhalt nach werden die Sagen in Großkreise gegliedert. Die Ulstersagen beschreiben die Personen und Ereignisse um Conchobor mac Nessa, König der Ulaid, in dessen Königshalle Cráebrúad in Emain Macha und um seinen Haupthelden Cú Chulainn. Von den durch die eindringenden Gälen besiegten sagenhaften Einwohnern Irlands, den Túatha Dé Danann („den Völkern der Göttin Danu“), handeln die mythologischen Sagen. Die Finnsagen spielen vornehmlich bei den Laigin (Leinster) und in Mumu (Munster) rund um den Helden Finn mac Cumaill (Heerführer des Königs Cormac mac Airt). Historische oder halbmythologische Könige (z. B. König Cormac mac Airt, Conn Cétchathach oder Níall Noígíallach) und Adelsgeschlechter sind Inhalt der Königssagen, die oft der Legitimation frühmittelalterlicher Könige dienten.
Das Mittelirische entwickelte sich zum klassischen Neuirisch (13. Jh. bis 16. Jh.) und dialektalen modernen Neuirisch (17. Jh. bis Mitte 20. Jh.) weiter.


Durch die irische Einwanderung nach Schottland ab dem 4. Jh./5. Jh. entstand das Schottisch-Gälische aus dem Alt- und Mittelirischen und löste sich im 12. Jh./13. Jh. vom Irischen durch eine Teilung in West-Gälisch (Irisch-Gälisch) und Ost-Gälisch (Schottisch-Gälisch) ab. Ab dem Spätmittelalter wurde das Gälische durch Scots und ab dem 17. Jh. durch das Englische zurückgedrängt. Heute gibt es etwa 57.400 Sprecher des Schottisch-Gälischen (gàidhlig) vor allem auf den Westlichen Inseln und in den Highlands.

 

 

WALISISCH/KYMRISCH

 

Das Walisische entstand aus dem Britannischen unter einem Abfall der End- und unbetonter interner Silben sowie der Herausbildung einer Nasalisierung (im 5. Jh./6. Jh.). Zudem gingen lateinische Lehnwörter mit ein.
Auf das archaische Kymrisch (Ende des 6. Jhs. bis 8. Jh.) folgte Altkymrisch (9. Jh. bis Mitte des 12. Jhs.), das z. B. im juristischen Sachprosatext Surexit-Memorandum erhalten ist und seit dem späten 11. Jh. vor dem Hintergrund der normannischen Eroberung von Wales ins Mittelkymrische (Mitte des 12. Jhs. bis 15. Jh.) überging, mit einem Wechsel des Wortakzentes von der End- zur vorletzten Silbe und dem Zusammenbruch des altwalisischen Schreibsystems zu Gunsten eines stärker phonetischen. Das Mittelwalisische endete mit der Regentschaft der Tudors, der Anglisierung von Wales und der Auflösung der Klöster.
Der wichtigste walisische Literaturproduzent war bis in das 16. Jh. der Barde (bardd, Pl. beirdd). Der hierarisch gegliederte Bardenstand hatte sich aus der altkeltischen Eliteschicht entwickelt. Insgesamt bildete der Bardenstand, der der als Literaturform z. B. das englyn und das Versmaß cynghanedd („Harmonie“, „Übereinstimmung“) mit einem auf Wortanfangsmutationen beruhenden System von Lautentsprechungen sowie später das Metrum Cywydd nutzte, 24 in Bardengrammatiken weitergegebene und im Qualifizierungsstreit Eisteddford angewandte normierte Metren aus.
Bis in das 12. Jh. entstand eine oft heroische Dichtung, die in den Sammelhandschriften Llyfr Aneinrin (Buch von Aneirin) und Llyfr Taliesin (Buch von Taliesin) aus dem 13. Jh./14. Jh. überliefert ist und die Auseinandersetzungen des 6. Jhs. in den nordbritannischen Gebieten widerspiegelt. Im 9. Jh. wurden die Historia Brittonum als lateinische Geschichte Britanniens mit walisischen Sagen und altwalisischen Ort- und Personennamen sowie die Annales Cambria verfasst. Im 14. Jh. entstanden Prosahandschriften wie das Llyfr Gwyn Rhydderch (Das Weiße Buch von Rhydderch) und das Llyfr Coch Hergest (Rotes Buch von Hergest), das z. B. das im 12. Jh. zusammen gestellte Mabinogion (Pedair Keinc y Mabinogi/Vier Zweige des Mabinogi) enthält, einen losen Zyklus von vier einheimischen walisischen Prosaerzählungen (unter anderem Artussagen und Rittererzählungen) aus der mythischen Vorzeit.
Ab dem 15. Jh./16. Jh. ist das Neuwalisische anzusetzen. Das gegenwärtige Walisisch kennt drei verschiedene Typen von Anlautmutationen (Lenition, Aspiration und Nasalierung) bei Konsonanten und eine Provektion bei Vokalen. Sätze beginnen oft mit dem Thema, die Wortfolge ist Verb-Subjekt-Objekt/Adverb.

Einen Vergleich des Walisischen mit der konstruierten Sprache Sindarin aus den Werken Tolkiens gibt es hier.

 

 

KORNISCH


Das Kornische entstand nach der geografischen Trennung Cornwalls von Wales aus dem Britannischen und ist eng mit dem Bretonischen verwandt.
Altkornisch hatte noch eine große Ähnlichkeit mit Walisisch und Britannisch (verwendete aber in der Orthographie bestimmte sächsische Buchstaben). Nach einer Akzentverschiebung um 800 bis 1200 erlebte das (Mittel)Kornische zwischen 1400 und 1500 seinen Höhepunkt.
Klöster und Kirchensowie Collegien waren Träger und Zentren der mittelkornischen Literaturproduktion, deren ältester erhaltener metrischer Text das Charter Endorsement (ca. 1350) ist und in der Mysterienspiele eine große Rolle spielten. Es existierten kornische „Amphitheater“, die Plenys an Gwari, die aus einer größeren Bühne mit hinführenden Gängen in der Mitte eines Feldes mit mehreren Bühnen bestanden.
Nach dem Niedergang während der Reformation brach das kornische Sprachgebiet zwischen 1700 und 1720 zusammen. Um 1800 starb das Kornische aus, bis es im 19. Jh. wiederbelebt wurde. Im Kornischen gibt es vier verschiedene Typen von Anlautmutationen. Betonung wird durch eine Veränderung der Wortordnung erreicht.


BRETONISCH


Bretonisch entstand aus dem Britannischen, als kornische Einwanderer zwischen dem 4. Jh. und 7. Jh. die Halbinsel Aremorica besiedelten. Das Bretonische basiert hauptsächlich auf dem nordwestlichen Dialekt Leoneg.
Im 9. Jh. erlebte der bretonische Sprachraum seine größte Ausdehnung (Loth-Linie). Das Altbretonische ist ab dem 9. Jh. nur in Glossen, Inschriften und Chroniken (z. B. der Chronik von Redon mit altbretonischen Namen) überliefert, die literarische Tradition stammte aber wohl aus Britannien. Im 12. Jh. setzte das Mittelbretonische (bis 17. Jh.) ein, das durch französisches Gedankengut geprägt war. Anlässlich von Wallfahrten und Namenstagen der Heiligen wurden Mysterienspiele aufgeführt, die ein komplexes Reimschema mit einer engen Verwandtschaft zum walisischen cynghanedd aufwiesen. Häufig wurde die Strophenform Kenganez genutzt.
Die Bretagne diente als Drehscheibe für die Importierung der „Materies de Bretagne“, der literarischen Tradition um König Artus, von den Britischen Inseln auf den Kontinent.