94032 Passau
Von barocker Architektur geprägte Altstadt des Bischofsitzes Passau auf einer schmalen Halbinsel im Dreiflüsseeck von Inn, Donau und Ilz mit der jenseits der beiden Flussufer erhöht liegenden Veste Oberhaus im Norden und der Wallfahrtskirche Mariahilf im Süden.
Geschichte
Das Areal der Altstadt war bereits in der Jungsteinzeit (6000 bis 1500 v. Chr.) besiedelt und in der jüngeren Eisenzeit/Latènezeit (ca. 5.Jh. bis 1.Jh. v. Chr.) befand sich auf dem Altstadthügel eine keltische Höhensiedlung, das Oppidum Boiodurum, mit einem Donauhafen.
Nach der Eroberung der Siedlung im 1.Jh. gehörte das heutige Passau als Teil der Provinz Raetia zum römischen Reich. Zu dieser Zeit entstanden das Kastell Batavis/Castra Batava (an der Stelle des Domes) als Teil der Limesbefestigung (der Nordgrenze des Reiches) und das Kastell Boiotro zur Sicherung der Grenze zwischen den Provinzen Raetia und Noricum.
Nach dem Abzug der Römer erfolgte 476 die Errichtung einer Herzogsburg durch die Bajuwaren (germanischer Stamm der Baiern).
Von 739 bis 1803 war Passau Bischofssitz und ab 1217 ein selbstständiges geistliches Fürstbistum (mit weltlicher Landesherrschaft des Bischofs als Reichsfürst) mit dem Kloster Niedernburg als Sitz. Die Stadt stellte im Frühmittelalter einen wichtigen Ausgangspunkt für die Kolonisation und Christianisierung des österreichisch-ungarischen Raumes dar.
Um 1200 entstand im Umkreis des Passauer Hofes unter Bischof Wolfger von Erla (einem Anhänger der Staufer) das mittelhochdeutsche Nibelungenlied als erste erhaltene schriftliche Fixierung der Nibelungensage. Seinen Kernkomplex bildet der Burgundenuntergang aus der Völkerwanderungszeit rund um die burgundischen Könige, den Hunnenkönig Attila und den Ostgotenkönig Theoderich, der mit dem jüngeren Komplex um Siegfried und Brünhild aus merowingischer Zeit verbunden und mit weiteren historischen Ereignissen, Figuren und politischer Konstellationen aus der Entstehungsgegenwart angelagert wird. Das zentrale Thema des NL ist der durch den Verrat Kriemhilds, der Schwester der Könige, als Rache für die Ermordung des ersten Ehemannes Siegfried (und den Raub des Besitzes) durch die Königssippe um Gunther und Hagen motivierte Untergang des burgundischen Reiches durch den Untergang der wehrfähigen Führungsschicht. In diesen Untergang am hunnischen Hof spielen die Konsquenzen des Rangstreites der Königinnen in Folge der Täuschung der isländischen Königin Brünhild durch die Standeslüge Siegfrieds und den magischen Betrug im Brautwerbeunternehmen Gunthers mit hinein.
1225 erhielt Passau die Stadtrechte. In der Folgezeit gab es mehrere Aufstände der nach Unabhängigkeit strebenden städtischen Bürgerschaft gegen die Herrschaft der Fürstbischöfe, welche jedoch alle scheiterten. Im Spätmittelalter führten Gewerbe und Handel, vor allem der Handel mit Salz auf dem Inn, zu einer wirtschaftlichen Blüte der Stadt.
In der Mitte des 16.Jhs. wurde in Passau ein wegbereitendes Vertragswerk für den Augsburger Religionsfrieden (die Tolerierung beider Konfessionen und Bestimmung der Konfession der Untertanen durch den Landesfürsten) geschlossen.
Am Anfang des 19.Jhs. gliederte man die Stadt mit dem Reichsdeputationshautpschluss (unter anderem Säkularisierung: Trennung von Staat und Kirche, Auflösung der geistlichen Herrschaften und Übergabe in weltlichen Besitz) in das Königreich Bayern ein, womit die Zeit als selbstständiges Fürstentum endete. Seit 1821 dient die Stadt wieder als Bischofsitz. 2013 verursachten die höchsten Überschwemmungen seit 500 Jahren starke Schäden an den Gebäuden der Altstadtinsel.
Besichtigung
Heute ist die Passauer Altstadt vor allem durch ein überwiegend aus dem 17.Jh. stammendes barockes Stadtbild mit Häusern italienischer Baumeister im Stil der Inn- und Salzachbauweise geprägt. Dabei bilden mehrere Häuser durch Scheinfassaden vor den Dächern ein geschlossenes Ensemble und es entstehen schluchtartige Häuserzeilen. Auf einem Rundgang durch die Straßen stößt man immer wieder auf malerische Plätze, verwinkelte und teilweise zu den Flussufern hin abfallende Gassen und (Tor)Türme.
Das Zentrum der Altstadt ist der sich auf dem 1150 angelegten Domplatz mit den ehemaligen Domherrenhöfen (aus der zweiten Hälfte des 17.Jhs.) am höchsten Punkt der Altstadt befindliche Dom St. Stephan mit seinen drei Türmen und Kuppeln sowie der größten Orgel der Welt. Der in seinen Ursprüngen auf die Zeit um 450 zurück gehende imposante Dom ist der Bischofssitz des Bistums Passau und wurde ab 1668 im barocken Stil (an der Stelle von fünf Vorgängerkirchen) mit einer zweitürmigen Westfassade wieder errichtet. In der an der Südseite zum Residenzplatz verlaufenden schmalen Zengergasse ist noch der spätgotische Chorbau mit Strebewerk zu sehen, der aus der fünften Kirche stammt.
Gegenüber dem Dom erstreckt sich am Innufer die im späten 12.Jh. erstmals erwähnte fürstbischöfliche Residenz, welche durch einen über die Zengergasse führenden Bau mit dem Dom verbunden ist. Der Gebäudekomplex besteht aus der Alten Residenz mit Bausubstanz aus dem 15.Jh. bis 17.Jh.. Über den Saalbau ist die im ersten Drittel des 18.Jhs. im Stil des Wiener Spätbarocks errichtete Neue Residenz zu erreichen. Im Süden besitzt der Trakt eine frühklassizistische Schaufassade und grenzt an den repräsentativen Residenzplatz mit seinen Patrizierhäusern im Norden, dem gotischen Ostchor des Domes und dem Marschallhaus im Westen sowie dem Wittelsbacherbrunnen im Zentrum an.
In der Nähe führt die alte kopfsteingepflasterte Innbrückgasse mit einem wehrhaften Bogen, einem auf das 12.Jh. zurückgehenden Brückenkopf, an der Innfassade der Residenz entlang hinunter zur Innpromenade.
In der Nähe des Donauufers steht am Paulusbogen, dem ältesten erhaltenen Stadttor und dem Nordtor zur Altstadt, die Pfarrkirche St. Paul mit einer creme-rosa gegliederten Fassade und einem Turm. Die Kirche wurde in der Mitte des 11.Jhs. zum ersten Mal genannt, der heutige Bau entstand in der zweiten Hälfte des 17.Jhs..
Unweit der Kirche befindet sich das Alte Rathaus mit dem neogotischen Turm und Sälen mit eingewölbten Decken, Stuckaturen und Szenen aus der Stadtgeschichte zeigenden Wandgemälden. Das heutige Rathaus wurde 1322 nach dem Erwerb eines Gebäudes mit Wehrturm durch die Passauer Bürger gegründet, 1405 um den Saalbau im venezianischen Stil mit seiner rundbogigen Loggia ergänzt und am Ende des 19.Jhs. durch die Verbindung der einzelnen Gebäude zu einem einheitlichen Komplex zusammen geschlossen.
In der Nachbarschaft des Rathauses liegt die Jesuitenkirche St. Michael mit dem verwinkelten Komplex des Jesuitenkolleges zwischen engen Gässchen. Der zweitürmige Kirchenbau hat seine Ursprünge in einer Vorgängerkirche von 1301 und wurde 1677 gebaut. In Richtung der Ortspitze schließt sich das ehemalige Benediktinerinnenkloster Niedernburg an. Das Kloster wurde 730 durch die bayerischen Agilolfinger-Herzöge als Kanonissinnen-Stift gegründet und ist besonders für seine berühmteste Äbtissin, die ottonische Prinzessin und ungarische Königin Gisela, bekannt. Die Klosterkirche ist eine romanische Pfeilerbasilika aus dem 12.Jh., die übrigen Gebäude stammen teilweise noch aus dem 14.Jh..
Eine der schönsten Stellen der Passauer Altstadt stellt die Ortspitze mit der von Bäumen beschatteten Promenade am Innkai dar. Dort steht der als Wehr- und Vorratsturm dienende runde Schaiblingsturm aus dem Jahr 1250. Von hier aus bietet sich zudem ein schöner Blick auf die am südlichen Innufer gelegene Wallfahrtskirche Mariahilf aus den 1620er Jahren.
Die Innstadt entstand aus dem burgartigen römischen Kastell Boiotro und war von Westen her durch das Severinstor/Peichtertor zu erreichen. Verstärkt wurde die Stadtmauer durch den runden Peichterturm. Teile der Innstadtmauer von 1419 mit Vierecktürmen und Zwinger sind noch erhalten. Im Zentrum der Innstadt befindet sich der Kirchplatz mit der Kirche St. Gertraud (vom Anfang des 12.Jhs.) und einem Patrizierhaus im Rokoko-Stil.
Vom Donaukai aus kann man zu der hoch auf dem St. Georgsberg am nördlichen Donauufer errichteten Veste Oberhaus hinauf schauen. Die von 1219 bis 1800 erbaute Burganlage war Herrschaftszentrum und Residenz sowie Verwaltungs- und Wirtschaftsmittelpunkt des Hochstiftes Passau. Die baugeschichtliche Entwicklung der Höhenburg reicht von einer stark befestigten und das Umland beherrschenden gotischen Zwingburg über einen Fürstensitz der Frührenaissance und ein Festes Hochschloss hin zu einer repräsentativen Landesfestung und beherbergt heute ein stadtgeschichtliches Museum.
Als eine der ältesten Städte des deutschsprachigen Raumes und eines der ersten christlichen Zentren Europas verfügt Passau über eine einzigartige historische und kulturelle Vergangenheit, die an fast jeder Ecke der Altstadt spürbar ist und sich mit leicht südländischer Atmosphäre vermischt. Barock überformte mittelalterliche und frühneuzeitliche Gebäude zeugen von der weitreichenden Bedeutung des Bischofsitzes und machen den Spaziergang durch die verwinkelten kopfsteingepflasterten Gassen und entlang der repräsentativen Plätze zu einem interessanten Erlebnis, bei dem man ein wenig in die Geschichte eintauchen und immer wieder neue architektonische Details entdecken kann.