schottische geschichte

frühmittelalter. das "keltische" schottland

 

Die politische Entwicklung Schottlands im Frühmittelalter


Vom 6. Jh. bis 9. Jh. wurde die nordbritische Zone neu strukturiert, als sich unter dem externen Einfluss des römischen Reiches vormals lose Gemeinschaften zu politischen Verbänden – mit sozialen Identitäten durch die Zugehörigkeit zu einer Verwandtschaftsgruppe) – formierten. Dieser Erweiterungsprozess war räumlich und überregional: kleinräumige Machtstrukturen entwickelten sich nun zu weiträumigen Vernetzungen. Es bildete sich eine frühfeudale Gesellschaft mit einer strukturierten Rangordnung und einer Konkurrenz zwischen den einzelnen soziopolitischen Gruppen und deren Anführern heraus. Einzelne Machtträger aus der sozialen Elite eines geografischen Raumes mit (einer nach außen hin vertretenen) politischen Identität bestimmten die politische Landschaft.

Die Vorherrschaft Northumbrias in der nordbritischen Zone im 7. Jh. wurde im 8. Jh. zugunsten von Piktland neu geordnet. Ab dem 9. Jh. dämmten das sich vor dem Hintergrund der Wikingereinfälle von Irland aus ausdehnende gälische Königreich Dál Riata, angelsächsische Herrschaftsgebiete und die Norweger (Wikinger) die piktische Vorherrschaft ein. Dál Riata und Piktland entwickelten sich unter Einbeziehung des britischen Strathclyde zum schottischen Königreich Alba.

 

 

Folgende politische Verbände konsolidierten in dieser Zeit ihre Herrschaft:

 

Die Maiatai/Miathi wurden im 3. Jh. (von Cassius Dio) und im späten 7. Jh. (von Adomnán) schriftlich erwähnt. Um 563 bis 587 waren sie in eine Schlacht (von Manau) mit dem König der Corcu Réti (Áedan) involviert. Die Siedlungsregion der Miathi erstreckte sich wahrscheinlich im heutigen Gebiet Clackmannan (Dumyat Hill, Myothill) mit einem politischen Zentrum wohl auf dem Castle Rock von Stirling. Das Geraten zwischen die Herrschaftsbereiche der Pikten, Briten von Alt Clut und Gododdin führte zur Zerschlagung des Verbandes.


Die Uotadini/Gododdin werden auf der Karte des Ptolemaios im heutigen East Lothian lokalisiert, zudem gibt es archäologische Belege für einen pro-römischen Verband im Südosten Schottlands zwischen dem Antoninus- und dem Hadrianswall. Aufgrund eines walisischen Heldenepos erlebten die Uotadini einen hohen Bekanntheitsgrad als frühmittelalterliche Gododdin. Im 7. Jh. verloren sie ihre Eigenständigkeit an die Bernicier und die Briten von Alt Clut.


Dál Riata: Die Bewohner Dál Riatas waren ursprünglich irische Skoten und wurden im Frühmittelalter bei Beda und Gildas schriftlich genannt. Vorherrschend im Westen Schottlands im heutigen Argyll and Bute, diente die seit der Eisenzeit existierende, den Moine Mhor im Kilmartin Glen überragende Hügelfestung Dunadd als Zentrum Dál Riatas.

Im 6. Jh. dominierte der politische Verband der Corcu Réti („Nachkommen von Réta“) das gälischsprachige Westschottland. Der gälischsprachige Teil von Nordbritannien wurde im 7. Jh. als Dál Riata bezeichnet, das sich im Zusammenwirken von Kirche/Klöstern und der königlichen Politik eine Identität auf der Basis der Migrationslegende schuf. Diese ging von einem vereinenden Ursprungsmoment aller cenéla Dál Riatas durch eine gemeinsame Migration der Gàidheil aus, als sich die legendären Söhne von Erc (Fergus Mór mac Eirc, Óengus Mór mac Eirc und Loarn mac Eirc) um 500 von Nordostirland aus in Westschottland ansiedelten. Ercs Söhne wurden nun als Vorfahren der dominanten und durch ihre Kerngebiete das politische Territorium Dál Riatas formierenden Abstammungsgruppen präsentiert: den Cenél nGabráin (mit dem Ahnherren Gabrán mac Domangairt, Sohn von Domangart Réti, der später durch das House of Alpin repräsentiert und im House of Dunkeld fortgesetzt wurde) in Kintyre, den sich vom Cenél nGabráin abspaltenden Cenél Comgaill (Ahnherr Comgall mac Domangairt, Sohn von Domangart Réti) in Cowal und den Cenél nÓengusa auf Islay sowie ab dem 8. Jh. den Cenél Loairn (Ahnherr Loarn mac Eirc, Fortsetzung im House of Moray).

Áedán mac Gabráin (mac Domangairt), König der Corcu Réti und Hochkönig von Dál Riata, sicherte unterstützt durch das 563 durch den heiligen Columba gegründete Kloster Iona die Königswürde für den Cenél nGabráin (auch nach 1000 bezogen sich die schottischen Könige auf die Krönung Áedáns). Eine Militärkampagne Áedáns nach Osten kulminierte in der Schlacht von Manau gegen die unterlegenen Miathi. In der Schlacht von Degsastan um 603 erlitt der Cenél nGabráin eine Niederlage gegen die Bernicier/Northumbria unter König Aeđilfrith. Unter den Nachfolgern Áedáns, seinem Sohn Eochaid Buide und seinem Enkel Domnall Brecc, gab es ab dem 7. Jh. innenpolitische Machtkämpfe und andere Abstammungsgruppen etablierten sich. Áed Find und sein Bruder Fergus mac Echdach wurden anlässlich ihrer Tode 778 und 781 erstmals als Könige von Dál Riata bezeichnet. Die letzten Herrscher Dál Riatas waren Domnall mac Causantín und Áed mac Boanta.

Die Darstellung eines politisch vereinten Dál Riata lässt sich ab dem 8. Jh. nachweisen. Bedingt durch den allmählichen Niedergang von und der Vermischung mit Piktland in der Mitte des 9. Jhs. (unter Cinéad MacAlpín) erreichte es seine größte Ausdehnung auf dem schottischen Festland (war jedoch von etablierten Herrschern der Wikinger umgeben). In der Folge entwickelte sich Dál Riata gemeinsam mit Piktland zum Königreich Alba.


Piktland: Die Pikten waren (ein) eisenzeitliche(r) und frühmittelalterliche(r) Volkssta(ä)mm(e) im Norden und Osten des heutigen Schottland nördlich des Firth und Clyde, die möglicherweise aus den Uerturiones und Calidones hervor gingen. Sie werden seit dem späten 3. Jh. in antiken Nachrichten (als „die Bemalten“) sowie in frühmittelalterlichen Texten und Königslisten erwähnt. Der Begriff „Pikten“ kommt zum einen als römische Sammelbezeichnung für die Bewohner jenseits des Hadrianswalles vor (im Frühmittelalter wuden die externen antiken Bezeichnungen dann zu Selbstbezeichnungen der Verbände), zum anderen nennen zeitgenössische lateinische Quellen die „Picti“, „reges Pictorum“ oder das „Gebiet Pictavia“. Vernakuläre Benennungen sind Cruithni, Prydyn, *Priteni.

Nach den Quellen existierten eine innerpiktische Territorialgrenze und sieben nach den Söhnen des eponymen Vorfahren Cruithne benannte piktische Herrschaftsgebiete: das dominierende Königreich Fortriu im Gebiet des Moray Firth (mit der Befestigungsanlage von Burghead, der Hügelfestung Craig Phadraig bei Inverness, dem Kloster Portmahomack und einem kirchlichen Zentrum bei Rosemarkie), Cait/Cat (im heutigen Caithness und Sutherland), Ce (in Mar und Buchan), Circinn (vielleicht im heutigen Angus und the Mearns), Fib (Fife), Fidach und Fotla (Atholl). Der nördlich der Forth-Clyde-Linie gelegene piktische Raum war das größte Gebiet und beste Ackerland der nordbritischen Zone. Seine Südgrenze markierte im 6. Jh./7. Jh. wahrscheinlich der Fluss Tay. Mit dem Verschwinden der Miathi verschob sich die Grenze in Richtung Forth–Clyde und es bildete sich eine Konfliktzone mit den Briten von Alt Clut und den Berniciern. An der durch die Gebirgskette Drium Alban definierten Westgrenze erstreckte sich eine Konfliktzone mit Dál Riata.

Der erste auszumachende piktische König mit weitreichenderer Autorität war Bridei mac Maelchon in der zweiten Hälfte des 6. Jhs. Bridei map Beli/III, König von Nordpiktland, war wahrscheinlich der erste piktische Hochkönig. Im späten 7. Jh. wurden die piktischen Gebiete im Norden und Süden militärisch unter einer Herrschaft zusammengeführt. Die Pikten unternahmen einen Angriff auf den Hauptsitz Dál Riatas in Dunadd und lehnten sich durch Allianzen mit Dál Riata und den Briten von Alt Clut gegen die Oberherrschaft Northumbrias auf. 685 konnte die Vorherrschaft Northumbrias in der Schlacht von Dún Nechtain gebrochen und die nordbritische Zone zu Gunsten von Piktland stabilisierend neu geordnet werden. Im Zuge der piktischen Expansionspolitik unter den Nachfolgern Brideis III wurden die Corcu Réti innerhalb der dálriadischen cenéla geschwächt, um die Wende zum 8. Jh. Northumbria besiegt und die neuartigen Ansprüche auf Dál Riata fixiert. Unter Nechtan mac Der-Ilei/Naiton IV etablierte sich im ersten Drittel des 8. Jhs. gestützt auf Iona eine unabhängige piktische Kirche. Kirchliche Reformen schufen engere Verbindungen zwischen Piktland und Northumbria.

Der Höhepunkt der piktischen Machtexpansion fällt in das 8. Jh. in die Regierungszeit von König Óengus mac Fergusa/Onuist, Sohn von Uurguist: In den 730er Jahren wurde Dál Riata erobert und in den 740er- und 750er-Jahren Northumbria unterworfen und so ein stabiles, im 9. Jh. konsolidiertes Herrschaftsgebiet geschaffen, abgesichert zudem durch eine Allianz mit dem irischen König. Somit waren alle Gebiete außer Alt Clut militärisch von Piktland abhängig.

König Causantín mac Fergusa, Sohn von Uurguist, richtete im späten 8. Jh./frühen 9. Jh. eine stabile Dynastie ein und konsolidierte die Territorien und Besitzungen unter anderem durch einen Sieg über Dál Riata unter Eóganán. Kämpfe gegen die Wikinger führten jedoch um 839 zur Auslöschung der machthabenden piktischen Dynastie. Aus den Schlachten siegreich hervor ging  Cinéad MacAlpín als neuer piktischer König.

Ab dem 9. Jh. wurde die piktische Vorherrschaft durch das sich vor dem Hintergrund der Wikingereinfälle von Irland aus ausdehnende gälische Königreich Dál Riata im Westen, angelsächsische Herrschaftsgebiete im Süden und die Norweger (Wikinger) eingedämmt. Durch irische Kulturation ausgehend von einer gälischen Elite wandelte sich Piktland um die Mitte des 10. Jhs. zu einer gälischer Identität – ab dem späten 9. Jh. gibt es keine archäologischen und historischen Hinweise mehr auf die Pikten, ab etwa 900 werden sie nicht mehr erwähnt – und entwickelte sich gemeinsam mit Dál Riata Entwicklung zum Königreich Alba.

 

Bernicia, Deira und Northumbria: Die Bernicier gingen wahrscheinlich aus durch das römische Reich als Föderaten angesiedelten germanischen Verbänden hervor. Ihr Kerngebiet lag am Tweed, in den Cheviot Hills, zwischen dem Tyne und Firth of Forth, ihr politisches Zentrum war ab dem späten 6. Jh. Bamburgh (Din Guaire) im heutigen Südostschottland. Die Bernicier dominierten in der Zeit der politischen Neustrukturierung und entwickelten sich durch Adaption und Akkulturation, indem sie während der Expansion britische Strukturen übernahmen. Dies führte zu einem polyethnischen Charakter des Stammes mit einer aus germanischen Angeln bestehenden Elite (die Selbstbezeichnung ist jedoch britischen Ursprungs („Pass-Leute“)). Der erste in den Quellen genannte angelsächsische König ist um 547 Ida.

Unter König Aeđilfrith, Sohn von Aeđilric und Enkel von Ida, begann mit dem Sieg in der Schlacht von Degsastan gegen König Áedán mac Gabráin von Dál Riata 603 der politische Aufstieg der Bernicier: er sah sich mit dem südschottischem Rheged konfrontiert, sicherte sich nach der Aneignung von Deira um 604 die Macht durch die Heirat mit Acha von Deira und siegte gegen die Briten von Alt Clut in der Schlacht von Chester. Am Ende dieser Eroberungen stand die Vereinigung der Königreiche Bernicia und Deira zum anglischen Königreich Northumbria, dessen Autorität vom heutigen Schottland über Wales bis in die englischen Midlands reichte. König Aeđilfrith fiel 616 in der Schlacht am River Idle gegen Edwin von Deira und König Rædwald von East Anglia. Nach der Herrschaftsübernahme durch Edwin von Deira gingen Aeđilfriths Söhne ins Exil bei benachbarten gälischen und piktischen Verbänden. Der Aufenthalt Oswalds und Oswius in Dál Riata leitete kulturelle Wechselbeziehungen ein und hatte die Christianisierung der Söhne Aeđilfriths zur Folge.

Nach dem Tod Edwins in der Battle of Hatfield Chase konnte unter Oswald, Sohn von Aeđilfrith, im zweiten Viertel des 7. Jhs. die Vorherrschaft der Bernicier ausgedehnt werden. Oswald siegte gegen den britischen König Cadwallon ap Cadfan von Gwynedd bei Heavenfield und sicherte sich die Vorherrschaft über Deira und die Gododdin. Die beiden northumbrischen Königreiche wurden erneut unter einer Herrschaft vereinigt. Als erster christlicher König gründete Oswald das Kloster Lindisfarne und förderte die Verbreitung des Christentums. Bereits kurz nach seinem Tod in der Schlacht von Maserfield gegen Penda von Mercia um 642 (eine Trennung der Königreiche Bernicia und Deira war die Folge) begann die Verehrung Oswalds als Heiliger.

König Oswiu von Bernicia, Sohn von Aeđilfrith, schuf um die Mitte des 7. Jhs. ein stabiles Herrschaftsgebiet im schottischen Südwesten mit einer (durch Tributzahlungen und Eheverbindungen gesicherten) kurzzeitigen Vorherrschaft über die politischen Verbände der nordbritischen Zone. So setzte er sich in der Schlacht von Winwaed gegen das angelsächsische Mercia unter Penda durch, brachte Deira permanent unter die Oberherrschaft der Æðilfrithinger-Dynastie und knüpfte Heiratsallianzen mit den Briten von Alt Clut und Deira sowie Familienbande mit Südpiktland. Das Königreich Northumbria wurde in Form zweier Königreiche etabliert, wobei Oswiu das nördliche Bernicia und seine Verwandten das südliche Deira regierten. Nach Oswius Tod folgten ihm der ältere Sohn Ecgfrith als König von Bernicia und der jüngere Sohn Ælfwine als König von Deira nach.

Mit der Niederlage Northumbrias unter König Ecgfrith in der Schlacht von Dun Nechtain/Battle of Nechtansmere (Blàr Dhùn Neachdain; brit. Linn Garān) gegen die Pikten unter König Beli Mac Bili/Bridei III endete 685 die Vorherrschaft über den Norden Britanniens. In der Mitte des 9. Jhs. wurde Northumbria zu einem Teil des Dänenreiches und ab der Mitte des 10. Jhs. zu einer Konfliktzone zwischen Schottland und England: Mit der Battle of Carham im Jahr 1018 kam das Gebiet nördlich des Tweeds an Schottland und es begannen die Invasionen der Normannen.


Die Briten von Alt Clut/das Königreich von Strathclyde werden in antiken Quellen nicht genannt (sind aber vielleicht mit den Dumnonii gleichzusetzen). Ab dem 5. Jh. kommt Alt Clut in frühmittelalterlichen Texten vor. Die eisenzeitliche und frühmittelalterliche Hügelfestung Dumbarton (Dùn Breatainn, Alt Chluaidh, „Festung der Briten“) auf zwei Hügelkuppen an der Mündung des Clyde war vom 5. Jh. bis zum 9. Jh. das Zentrum des Verbandes.

Im 5. Jh. hatten die romanisierten Briten eine feste Position in der politischen Landschaft und dehnten im 6. Jh./7. Jh. ihr politisches Territorium nach Norden in die Gegenden um Loch Lomond und nach Süden in das heutige Renfrewshire und große Teile von Ayrshire aus. Ab dem 7. Jh. gab es an der Südgrenze Konfrontationen mit den Berniciern. Die ersten bekannten Herrscher der Briten von Alt Clut sind der im Rahmen der Christianisierung genannte Coroticus/Ceretic Guletic und Rhydderch Hael (ein Zeitgenosse von Áedán mac Gabráin von Dál Riata und Urien von Rheged sowie Æthelfrith von Bernicia).

In der Mitte des 7. Jhs. siegten die Briten unter Eugein, Sohn von Beli, über Dál Riata und töteten den König Domnall Brecc. Kampagnen der piktischen Könige in Alt Clut führten im 8. Jh. zum Verlust von Dumbarton Rock. Die Vorherrschaft von Alt Clut endete spätestens im 8. Jh. 870 belagerten die Wikinger unter dem norwegischen König Olaf von Dublin Alt Clut. Nach der Niederlage in der Battle of Brunanburh 937 gegen König Athelstan von Wessex wurde Strathclyde bis zur Mitte des 11. Jhs. unter Donnchad mac Crínáin/Duncan von Strathclyde/König Duncan I in das entstehende schottische Königreich Alba eingegliedert.


Der Übergang von Piktland zu Alba

 

Cinéad, Sohn von Alpín, potentiell König von Dál Riata vor der Erlangung der piktischen Königswürde, gilt als erster König Schottlands. In der Mitte des 9. Jhs. war er Oberhaupt über die piktischen Stämme und die gälischsprachige Bevölkerung/Dál Riata, als vor dem Hintergrund des äußeren Drucks durch die Wikinger die gälischen und piktischen Gruppen in Schottland zu einem überregionalen Verband zusammengefasst und die schottische Verbände vereinigt wurden. Cinéad etablierte mit dem House of Alpín eine neue stabile Dynastie eines gälisch-piktischen Königreiches mit Königsitz in Scone (bis 1296 der Krönungsort der schottischen Könige). Zudem gründete er die Abtei von Dunkeld.

Die unmittelbaren Nachfolger von Cinéad wie Domnall mac Ailpín und Causantín mac Cinàeda/Constantine I wurden noch als Könige der Pikten oder Könige von Fortriu bezeichnet. Die Annals of Ulster nennen am Ende des 9. Jhs. mit Domnall mac Causantín/Donald II den ersten König (ri Alban) eines gälischen schottischen Königreiches (Rìoghachd na h-Alba, Kinrick o Scotland) mit Scone (bei Perth) als Königssitz und nach der Eingliederung des britischen Königreiches von Strathclyde der Forth-Clyde-Linie als südlicher Grenze. Daneben taucht im 9. Jh. in den Quellen die Bezeichnung mormaer („great stewart“) zur Beschreibung der vielleicht im Dienst des entstehenden schottischen Königreiches wirkenden Herrscher von Moray, Strathearn, Buchan, Angus and Mearns auf.

Während der Regierungszeit von König Causantín mac Áeda/Constantine II wurde in der ersten Hälfte des 10. Jhs. der Grundstein für das sich aus Piktland und Dál Riata entwickelnde Königreich Alba gelegt. Die durch Causantín reformierten kirchlichen und administrativen Einrichtungen existierten bis in die Zeit König Davids I. 937 unterlag ein irisch-britisch-skandinavisches Bündnis in der Schlacht bei Brunanburgh gegen den angelsächsischen König Æthelstan. König Causantín dankte zugunsten des Mönchlebens (wahrscheinlich in der Abtei von St Andrews) ab, seine Nachfolger waren der Neffe oder Cousin Máel Coluim mac Domnaill und danach der Indulf.

Zwischen den Königen Máel Coluim mac Domnaill/Malcolm I und Máel Coluim mac Cináeda/Malcolm II verfügte Alba über gute Verbindungen zu den wessexischen Herrschern von England. Es gab starke dynastische Unruhen, aber auch eine erfolgreiche Expansionspolitik. Der sich in Thronkämpfen 971 durchsetzende König Cinéad mac Máil Choluim/Kenneth II erweiterte das schottische Gebiet nach Süden.

Der im ersten Drittel des 11. Jhs. regierende Máel Coluim mac Cináeda/Malcolm II gilt als letzter gälischer König. 1006 marschierte er in Bernicia ein und belagerte Durham. Nach dem Sieg über Northumbria in der Battle of Carham 1018 wurde Richtung Süden das Gebiet bis zum Tweed angegliedert. Durch enge Verbindungen zum skandinavisierten Northumbria breitete sich der angelsächsische Einfluss aus. Da Malcolm II ohne Nachfolger starb, überging das Herrschaftsgebiet 1034 an den Schwiegersohn oder Enkel Donnchad mac Crínáin/Duncan I aus dem House of Dunkeld (Dùn Chailleann; dynastische Fortsetzung des Cenél nGabráin von Dál Riata; unter der Dunkeld-Dynastie wurde das Königtum erblich), der das Königreich von Strathclyde mit Alba vereinigte. Donnchad wurde durch den nachfolgenden König Mac Bethad mac Findlaích/Macbeth (mormaer of Moray) aus dem Cénel Loairn im Zuge einer Kampagne in Moray ermordet.

Unter König Máel Coluim mac Donnchada/Malcolm III, dem ältesten Sohn Donnchads, konnte nach der Tötung Macbeths in der Schlacht von Lumphanan und seines Sohnes Lulach 1058 die Dunkeld-Dynastie stabilisiert werden. Die kulturelle, wirtschaftliche und politische Abwendung von Skandinavien und Hinwendung zu England und dem europäischen Kontinent brachte den Einfluss des skandinavisierten Northumbria nach Schottland. In der Mitte des 11. Jhs. gab es erste Kontakte des schottischen Hofes mit dem angelsächsischen Feudalsystem – vor allem durch die Ehe Malcolms mit der englischen Prinzessin Margaret of Wessex, der Schwester des Thronanwärters Edgar Aetheling. Dies hatte nach der  der normannischen Eroberung Englands auch Angriffe der Normannen auf auf Schottland zur Folge. (Nach dem Tod des letzten angelsächsischen Königs Edward the Confessor hatten die Skandinavier, Angelsachsen und französischen Normannen Ansprüche auf den Thron. Die Krönung von Edwards skandinavischem Schwager Harold Godwinson zum König führte 1066 zur Eroberung Englands durch den Duke of Normandy, William the Conquerer, der bei Hastings gegen die Angelsachsen siegte. Als König von England ersetzte William I. die anglo-dänischen Führungsschicht durch eine normannische Oberschicht.) Da König Malcolm III seinen Schwager Edgar Aetheling unterstützte, kam es zum Konflikt mit König William I. Im Treaty of Abernethy ordnete sich Malcolm III dem englischen König unter und wurde zu dessen Vasall. Unter König William II gab es 1092 erneute Auseinandersetzungen mit England. Der Tod König Malcolms III und seines ältesten Sohnes in der Battle of Alnwick 1093 gegen normannische Adelige löste Nachfolgekämpfe zwischen Malcolms III Bruder Domnall Bán mac Donnchada/Donald III (der die angelsächsischen und normannischen Gefolgsleute vom  schottischen Hof vertrieb) und seinem ältesten Sohn von der ersten Frau, Donnchad mac Maíl Coluim/Duncan II (der als Geisel am anglo-normannischen Hof in England erzogen worden war), aus. Auf Malcolms III Sohn Edgar folgte 1107 dessen Bruder Alaxandair mac Maíl Choluim/Alexander I als schottischer König und der jüngste Bruder David als Prince of Cumbria.

 

 

Gesellschaftliche und politische Strukturen im frühmittelalterlichen Schottland


Die gälische Gesellschaft des Frühmittelalters bestand aus einem mehrschichtigen Königtum mit von Kriegerkameraden umgebenen Königen, dem regierenden Adel, nichtadeligen Freien und einer großen Anzahl von Sklaven: An der Spitze der Nemed (heilige Person) stand der Ard rí (Hochkönig), darunter der Rí ruirech (König über überregionale Könige), der Ruiri (überregionaler König), der Rí Túaithe (regionaler König) und der Flaithe (Graf, Prinz). Nicht herrschende Nemed waren der Ollam (Gelehrte), Fili (Dichter) und Kleriker. Unter den Dóernemed waren der Brithem (Jurist), Händler, Handwerker, Musiker etc. zu finden. Niedriger in der Hierarchie angesiedelt waren freie Land- und Viehbesitzer: der Bóaire (Besitzer von Rindern), Ócaire (kleiner Graf) und Fer midboth (halb-unabhängiger Jugendlicher). Nach dem Fuidir (Halbfreier) folgten die Unfreien: Bothach (Leibeigener), Senchléithe (vererbter Leibeigener), und Mug (Sklave). Die Lebenserwartung der Menschen war relativ gering und lag meist unter 30 Jahren.

Das nicht vererbte, wahrscheinlich durch einige mächtige Dynastien monopolisierte und ab dem 8. Jh. auch mit konkreten Territorien assoziierte Königtum entwickelte sich im Verlauf des Frühmittelalters von einer auf kriegerischer Führungskraft basierenden Autorität zu einem institutionalisierteren Zusammenwirken von König, führenden Adelsfamilien und kirchlichen Einrichtungen.  Es war zudem mit rituellen Aspekten, wie der Tradition des Hinterlassens des Fußabdruckes während der Krönungszeremonien als Symbol für das Nachfolgen in den Fußstapfen des Vorgängers, verbunden. In den historischen Quellen indiziert der Begriff „König“ eine Führungsposition innerhalb politischer bzw. ethnischer Identitätsgruppen.

 
Die schottischen Monarchen des Frühmittelalters bzw. zwischen 843/848 und 1124 waren:
House of Alpin: Kenneth MacAlpin I (Cináed mac Ailpín) > Donald I (Domnall mac Ailpín) > Constantine I (Causantín mac Cináeda) > Áed (Áed mac Cináeda) > Giric (Giric mac Dúngail) > Eochaid (Eochaid mac Run) > Donald II (Domnall mac Causantín) > Constantine II (Causantín mac Áeda) > Malcolm I (Máel Coluim mac Domnaill) > Indulf (Ildulb mac Causantín) > Dub (Dub mac Maíl Choluim) > Cuilén (Cuilén mac Ilduilb) > Amlaíb (Amlaíb mac Ilduilb) > Kenneth II (Cináed mac Maíl Choluim) > Constantine III (Causantín mac Cuiléin) > Kenneth III (Cináed mac Duib) > Malcolm II (Máel Coluim mac Cináeda)
House of Dunkeld: Duncan I (Donnchad mac Crínáin) > Macbeth (Mac Bethad mac Findláich) > Lulach (Lulach mac Gille Comgaín) > Malcolm III (Máel Coluim mac Donnchada) > Donald III (Domnall mac Donnchada) > Duncan II (Donnchad mac Maíl Choluim) > Edgar (Étgar mac Maíl Choluim) > Alexander I (Alaxandair mac Maíl Choluim)

 

Im 9. Jh. wurde erstmals ein gälisches Gesetz als Ausdruck einer auf Verwandtschaft, Stand, Ehre und Blutfehden basierenden Gesellschaft niedergeschrieben, mit den Brithem/Breitheamh als rechtskundigen Personen. Das schottische Recht war vor dem 11. Jh. wohl ein System des Volksrechtes mit einer spezifischen gewohnheitsrechtlichen Tradition für eine bestimmte Kultur in einer bestimmten Gegend. Bis zum Ende des Mittelalters formierte sich das Common Law aus gälischem und keltischem Recht unter dem Einfluss anglo-normannischer und kontinentaler Praktiken.

 

 

Religiöse Entwicklung: Die Entstehung von Klöstern


Vor der Christianisierung existierte wahrscheinlich eine polytheistische keltische Religion auf dem Gebiet des heutigen Schottland. Zur Zeit des römischen Britannien kam es zu ersten Kontakten mit dem Christentum. Seit dem Ende der römischen Zeit bestanden christliche Friedhöfe (mit Ost-West-Ausrichtung) im Osten des heutigen Schottland.

Im 5. Jh./6. Jh. missionierten irische Mönche der keltisch-christlichen Kirche in der Tradition des heiligen Patrick sowie in geringerem Maße der römischen Kirche in Britannien: St Brendan, St Ninian in Northumbria, St Columba in Dál Riata und Piktland und St Kentigern in der Region um Strathclyde. Dies führte zur Gründung von Klöstern als Zentren des keltischen Christentums und gälischen Mönchwesens – mit einer führenden Rolle des durch Columba 563 gegründeten Klosters auf Iona (Ì Chaluim Chille) vor der Küste der Insel Mull bei der Christianisierung der Pikten und des angelsächsischen Northumbria sowie als Ort des Wissens und spirituelles Zentrum unter anderem als Grablege der Herrscher des Königreiches Alba.

Auseinandersetzungen zwischen der auf Klöster gestützten irischen und der auf Bischöfe gestützten römischen Mission unter anderem um die Osterfestberechnung und die Art der Tonsur wurden 664 auf der Synode von Whitby zugunsten des römischen Ritus formal beigelegt.

Häufig waren Abteien mit Dynastien verbunden und weltliche Geistliche lebten mit ihren Familien bei Klöstern. Als Reaktion auf diese Verweltlichung entstand im 8. Jh./9. Jh. das Reformmönchtum Céli Dé mit dem Gelübde der Armut und Keuschheit.

Bis zum 10. Jh., nach der Bekehrung der skandinavischen Gebiete, hatte sich das Christentum unter päpstlicher Autorität fest in Schottland etabliert. Da lokale Kirchen fehlten, waren die oft durch die Verehrung eines Heiligen verbundenen Klöster und Stiftskirchen bis in das 12. Jh. für weite Gebiete zuständig.

 

 

(Land)wirtschaftliche Entwicklung: Nahrungsmittelanbau und Viehhaltung


Durch eine Klimaveränderung mit einem Rückgang der Temperaturen und Anstieg von Regenfällen wuchs im Frühmittelalter das nicht nutzbare Land an. Die städtischen Zentren der römischen Zeit waren nicht mehr vorhanden, auch mangelte es an Handelsplätzen und Transportrouten, weshalb die Landwirtschaft dominierend war. Die Bauern versorgten sich überwiegend selbst um kleine, meist von einer Familie bewohnte und in losem Kontakt mit den Nachbarn stehende Höfe herum mit Nahrungsmittelanbau und Viehhaltung. Die Basis der Landwirtschaft bildete bis in das 18. Jh. ein System mit jährlich bebauten Feldern in Siedlungsnähe und weiter außerhalb liegenden, einige Jahre brach gelassenen Äckern.

Wichtiges Vieh waren Rinder, Schweine, Schafe (Wolle stellte das Hauptmaterial der Kleidung dar) und Gänse. Ab ca. 1000 stieg die Fischerei stark an. An manchen Orten wurde zudem Eisen- und Metallproduktion betrieben.

 

 

Siedlungsstrukturen: Hofstätten, Langhäuser und Brochs


Die frühmittelalterlichen Siedlungen bestanden aus Hofstätten und Ansiedlungen mit Rundhäusern und rechteckigen Langhäusern um befestigte Anwesen wie die auch im Frühmittelalter weiter bewohnten eisenzeitlichen Brochs und ursprünglich jungsteinzeitliche, weiter genutzte Crannogs. Im Osten kamen vermehrt befestigte Höhensiedlungen neben offenen Haufendörfern vor, im Flachland lagen die Ringforts irischer Siedler.

Die Klosteranlagen besaßen meist die Form von einer von einem Erdwall umgebenen losen Gruppe von Hütten aus Holz oder Flechtwerk. Im Laufe der Zeit wurden die Bauten durch steinerne Gebäude ersetzt und befestigte Rundtürme nach irischem Vorbild errichtet.

 

 

Kulturelle Entwicklung: Piktische Steine, Insulare Kunst und Anfang der Literaturproduktion


Im Frühmittelalter dominiert die piktische Kunst. Das politische Selbstverständnis findet seinen kulturellen Ausdruck in über das gesamte Herrschaftsgebiet verteilten Steindenkmalen mit meist in Paaren arrangierten, abstrakten geometrischen Zeichen und Tiersymbolen sowie teilweise Ogham-Inschriften als lokale Ableitungen aus der späteisenzeitlichen Kunst- und Materialkultur im Latène-Stil mit Einflüssen der Insularen Kunst des 7. Jhs. und 8. Jhs. Die größte Konzentration von Steinen der Klasse I. – bis zum 7. Jh. gefertigt, unbearbeitet, keine Kreuze – gibt es in Sutherland (z. B. Dunrobin und Aberlemno-Steine (Argyll)). Die Steine der II. Klasse (annährend rechteckig) mit einem Kreuz auf der einen und Symbolen auf der anderen Seite entstanden nach der Etablierung des Christentums im 8. Jh./9. Jh. (und dominieren im südlichen Piktland). Ab dem 8. Jh. entstandene Steine sind der III. Klasse zuzuordnen und haben keine spezifisch piktischen Symbole.

piktische und christliche Steinkunst, National Museum of Scotland
piktische und christliche Steinkunst, National Museum of Scotland

 

Im 8. Jh. erlebte der Insulare Kunststil (Hiberno-Saxon) seinen Höhepunkt. Er ist gekennzeichnet durch eine Mischung von keltischen/latènezeitlichen, spätgermanischen und klassischen Motivelementen (z. B. Linien, Spiralen, Knoten, Verzierungen, Pflanzen- und Tierornamente). Bekannte Kunstwerke sind z. B. die Tara Brooch, der Ardagh Chalice und das illuminierte Book of Kells sowie das Monymusk Reliquary/Brecbennoch mit den Gebeinen des heiligen Columba. Die steinernen freistehenden High crosses (etwa 750 bis 1150) kommen am häufigsten in den Highlands und auf den Inseln vor und verfügen meist über einen die Kreuzung umschließenden Steinring und als Reliefs ausgeführte Muster, biblische Szenen oder Inschriften.

Die wikingerzeitliche Kunst bildete bevorzugt stilisierte ornamentale Tiermotive ab.

 

In sprachlicher Hinsicht führten die Siedlungsveränderungen bis zum Ende des Frühmittelalters zur Verdrängung der piktischen und britischen Sprachen durch Gälisch, Englisch und Altnordisch.

In ihrer Anfangszeit war die Gesellschaft des Frühmittelalters eine orale, das Wissen wurde mündlich vermittelt. Diese mündliche Kultur prägten bis in das Mittelalter irische Einflüsse mit einer großen Rolle von Geschichtenerzählen und Genealogien (die der königlich Poet ollamh righe bestimmten Anlässen rezitierte). Daneben gibt es Hinweise auf ein gälisches Bildungssystem.

Mit dem Christentum kam ab dem 6. Jh. das Lateinische als Unterrichts- und Schriftsprache nach Schottland. Die oft über eine Bibliothek, Schule und Schreibstube verfügenden Klöster fungierten als Zentren von Wissen und Bildung (man betrachtete und deutete Texte aus und kopierte Manuskripte).

Die frühmittelalterliche Literatur ermöglicht Einblicke in die Ereignisgeschichte der nordbritischen Zone, die Etablierung von Abstammungsgruppen und Dynastien, in politische und kirchliche Strukturen sowie die Formierung von politischer und ethnischer Identität.

Wichtige britische Quellen sind z. B. De Exidio Britanniae (ca. 540) des Klerikers Gildasin Form einer Mahn- und Bußschrift mit der Schilderung des Niederganges des römischen Britannien durch Einfälle der barbarischen Pikten und Scotti sowie der Einladung der Angelsachsen als militärisches Schutzschild und die Historia Brittonum (9. Jh.) unter anderem mit einem Fokus auf der Auseinandersetzung von Briten und Angeln sowie einer britischen Perspektive auf die northumbrische Geschichte. Die frühe walisische Literatur entstand ebenfalls in der Nähe des heutigen Schottland, so z. B. heroische Dichtung mit der Nennung wohl von Kriegern der Gododdin.

Den angelsächsischen Texten sind z. B. Bedas (Venerabilis, northumbrischer Mönch) Historia Ecclesiastica Gentis Anglorum (Kirchengeschichte des englischen Volkes von 731) mit einer Fakt und Fiktion kombinierenden politischen und kirchlichen Geschichte der Angeln und Aufschlüssen über die politische Geografie Piktlands und die Vita Sancti Wilfrithi (709/720) des Stephanus mit einer Nennung von sozialen Praktiken sowie Strukturen und Gliederungen der northumbrischen Gesellschaft zuzuordnen.

Quellen aus dem gälischsprachigen Dál Riata finden sich meist in irischen Handschriften. Zu nennen sind hier (als Hauptquelle für das 6. Jh. bis 9. Jh.) die irischen Annalen von Ulster und Tigernach, die Heiligenlegende des Abtes von Iona, Adomnáns Vita Sancti Columbae (um 690) als Quelle für gesellschaftliche Umgangsmechanismen, Míniugud Senchasa fher n´Alban („Erklärung der Geschichte von Albas Bewohnern“) als Quelle für die soziale und politische Organisation von Dál Riata in Abstammungsgruppen und Cethri Prímchenéla Dáil Riata („Die vier Hauptabstammungsgruppen Dál Riatas“) in Form einer kontemporäre Machtverhältnisse widerspiegelnden Genealogie.

Die Piktische Königsliste (überliefert in einer Handschrift aus dem 14. Jh.) bietet eine chronologische Auflistung piktischer Hochkönige mit der Nennung des Vaters und der Regierungslänge. Die Chronik der Könige von Alba/(Older) Scottish Chronicle (erhalten als Zusammenfassung aus der Zeit um 1200 in einer Handschrift aus dem 14. Jh.) stellt eine wichtige Quelle für das Ende Piktlands und die Anfangszeit Albas (strukturiert um eine Königsliste des späten 10. Jhs./11. Jhs.: Könige von Pictavia ab Cinéad, Sohn von Alpín; Könige von Alba ab Constantín, Sohn von Áed) dar. In der Regierungszeit König Máel Coluims III entstanden ist das mittelgälische Gedicht Duan Albanach aus dem Lebor Bretnach.



 

SKANDINAVISCHES SCHOTTLAND

 


Die politische Entwicklung im Zeitalter der Wikinger


Zwischen dem 8. Jh. und 15. Jh. wurde Teile des heutigen Schottland (die nördlichen Inseln Orkney und Shetland (Norðreyjar), Hebriden, Inseln des Firth of Clyde, die Isle of Man (Suðreyjar), Festlandgebiete in Caithness und Sutherland) durch die Norweger/Wikinger besiedelt. Dies hatte wiederkehrende Auseinandersetzungen zwischen den skandinavischen Earls of Orkney und dem Kingdom of the Isles sowie dem gälischen Königreich Dál Riata/Alba und Interventionen des norwegischen Königs zur Folge.

Die Ursache für die Expansion der Norweger/Wikinger gestützt auf hölzerne Langboote mit geringem Tiefgang waren klimatische Verhältnisse und innere Konflikte in Skandinavien. Ab etwa 793 (beginnend mit einem Überfall auf das Kloster Lindisfarne) plünderten sie verstärkt an irischen und schottischen Küsten, wobei das neben den Shetlands am frühesten durch die Wikinger besiedelte Orkney möglicherweise als Mittelpunkt der Aktivitäten fungierte. Ihren Höhepunkt erreichten die skandinavische Expansion und der Einflusses der Norweger in Schottland unter Thorfinn Sigurdsson im 11. Jh.

Die Wikinger siedelten vor allem auf den Inseln. Durch das Nachkommen der Familien aus Skandinavien, Einheirat in die lokale Bevölkerung und militärische und diplomatische Bündnisse bildete sich auf den Hebriden und der Isle of Man im 9. Jh. eine (friedliche?) Koexistenz der Norweger mit den einheimischen Kelten bzw. Gälen heraus. Es entstand eine norwegisch-gälische Kultur mit Einflüssen nach Argyll und Galloway in Südwestschottland (bis 1266).

Die Earls of Orkney (die norwegischen Jarls hatten eine Treueverpflichtung gegenüber Norwegen für Orkney und gegenüber Schottland für die Herrschaftsgebiete in Caithness) und Könige der westlichen Inseln regierten bis in die Mitte des 11. Jhs. wahrscheinlich unabhängig. 1231 endete die seit Rognvald Eysteinsson ununterbrochene Linie der norwegischen Earls mit der Ermordung von Jon Haraldsson in Thurso.

Auf den südlichen Inseln (Kingdom of Man and the Isles) war die Situation mit wechselnden Machthabern und Herrschaftsgebieten komplexer. Die Hebriden standen bis in das 13. Jh. unter dem Einfluss skandinavischer Herrscher. Godred Grovan begründete in der zweiten Hälfte des 11. Jhs. eine Herrscherdynastie über das Kingdom of Man and the Isles und ab der Mitte des 12. Jhs. erreichte das Königreich unter Somerled Mac Gille Brighte seine größte Ausdehnung. Nach dem Tod Somerleds 1164 in einem Gefecht bei Renfrew gegen den schottischen König Malcolm III brach das Königreich zusammen. 1266 übereignete König Alexander III im Treaty of Perth and Man die Isle of Man und Hebriden an den König von Schottland, der im 13. Jh. seine Autorität in die Highlands und auf die Inseln ausdehnte und den norwegisch-gälischen Westen eroberte.

 


Siedlungsstrukturen, Grabbeigaben und Ortsnamen der Wikingerzeit


Die Skandinavier überbauten meist (vorher verlassene oder übernommene) Siedlungen Einheimischer. Bis zur Christianisierung im 9. Jh. vorhandene Beigaben in skandinavischen Gräbern legen, da sie Attribute beider Kulturen enthalten, ein wahrscheinlich friedliches Zusammenleben nahe und ermöglichen Rückschlüssen auf das Umfeld und Handel.

Auf dem schottischen Festland entstanden die ersten wikingerzeitlichen Siedlungen im Verlauf des 10. Jhs. Bisher sind zwei erforscht: Freswick in Caithness (wohl 11. Jh./12. Jh.) und Robertshale (Siedlungstätigkeit zwischen dem 10. Jh. und 14. Jh.).

Eine größere Anzahl wikingerzeitlicher Siedlungen und Grabstätten gibt es auf den Inseln:

  • Auf der Isle of Lewis (Hebriden), Cnip Headland, befindet sich das Gräberfeld von Valtos/Bhaltos (Ende des 9. Jhs./Anfang des 10. Jhs.) mit einem Frauengrab mit Beigaben und sieben weitere Gräbern, vier davon mit skandinavischen Grabbeigaben (Gebrauchs- und Wertgegenstände nordischen und keltischen Ursprungs). In Uig Bay fand man die berühmten Lewis Chessmen, ein Kästchen mit über 90 Objekten aus Walrosselfenbein skandinavischer Herkunft aus dem 12. Jh.
  • Auf North Uist (Hebriden) liegt die im 9. Jh. durch die Skandinavier übernommene, ursprünglich eisenzeitliche Siedlung Udal.
  • South Uist (Hebriden) beherbergt Drimore Machair, eine skandinavische Siedlung mit Fundamenten von Langhäusern und eisenzeitlichen Gebäuden, das in der Nähe einer eisenzeitlichen Siedlung unter Einbezug hebridischer Elemente entstandene Kilphedir mit elf Gebäuden (darunter fünf steinernen Langhäusern) und Bornish, die umfangreichste nordische Siedlung auf den Hebriden (20 Häuser). Ihre Erforschung zeugt von einem besonderen Stellenwert der Jagd, politischen Kontakten zum schottischen Festland und einer kulturellen Vermischung. In Colonsay entdeckte man das Schiffsgrab von Kiloran Bay (Ende des 9. Jhs.) mit den Überresten von einem Mann und einem Pferd und reich an Gegenständen skandinavischer und insularer Herkunft.
  • Auf der Isle of Man gibt es viele gut ausgestattete Männergräber: im Norden zwei Wikingergräber aus dem 10. Jh., im Süden (Balladoole) ein Schiffsgrab im Areal eines keltisch-christlichen Friedhofs, in Knock y Doonee ein norwegisches Schiffsgrab aus dem 10. Jh., auf St Patricks Isle (Peel Castle) sieben skandinavische Gräber aus dem 10. Jh., ein skandinavisches Frauengrab mit Beigaben (aus dem Raum der Irischen See und Nordengland) und über zwanzig Hortfunde (Silberware in Form von Münzen und Armreifen).

Lewis Chessmen im National Museum of Scotland
Lewis Chessmen im National Museum of Scotland


Sprachlich wurde früh zwischen Insel und Festland unterschieden: Innse Gall(„Inseln der Fremden“) und Airer Goidel (Küstenland der Gälen). Die Bezeichnung Gall-Gáedhil („fremde Iren“) deutet auf eine Verschmelzung von Wikingern und Gälen bzw. eine Übernahme gälischer Elemente durch die Norweger hin.

Im Norden und Nordwesten finden sich altnordische, skandinavisierte und durch die Wikinger übernommene gälische Ortsnamen. Die ältesten Siedlungsnamen auf dem schottischem Festland sind piktisch (z. B. papa („Mönch“, „Priester“), britische Präfixe -Aber (Aberdeen), -Lhan (Lhanbryde), -Pit (Pitmedden)). Orte mit -bólstađr („Gehöft“, „Hofstelle“, z. B. Norbister, Scrabster, Habost, Kirkapoll, Skelbo), -dalr („Tal“, z. B. Udal, Easkadale, Helmsdale, Ardroscadale, Laxadale), -setr („Wohnstätte“), -vik („Bucht“, z. B. Wick, Freswick), kuí („Melkplatz“), - („Siedlung“, „Bauernhof“, z. B. Jurby, Sulby, Whitby, Grimsby), -nes („Landzunge“, „Kap“, z. B. Inverness, Caithness) und -ay („Insel“, z. B. Sanday, Birsay) sowie topographische Namen (z. B. fjall („Berg“)) enthalten altnordische Elemente. Zudem gibt es skandinavisierte Ortsnamen (z. B. cill > kirk), die teilweise wieder gälisiert wurden (z. B. vik > bhig). Die Wikinger übernahmen gälische Begriffe und bezeichneten Regionen in ihrer Sprache: z. B. Caithness („Landzunge der Katze“), Sutherland („Südland“). Daneben bestanden während der skandinavischen Okkupation gälische Namen (z. B. Ballachulish („enges Gehöft“), Auchmore („großes Feld“)) weiter.

Nordische Personennamen haben sich in einigen schottischen Namen erhalten: z. B. Ljót-ulf („grimmiger Wolf“) > MacLeod; Ólafr > MacAulay; Ljōdhūs > Lewis; Rognvaldr > Ronald. Des Weiteren gab es gälische Zunamen nordischer Herrscher und gälische Bezeichnungen für die Skandinavier: Dubhgall („dunkler Fremder“ > Dänen) und Finngall („heller Fremder“ > Norweger).

In altnordischer Sprache verfasste, aber gälische Grammatikelemente zeigende Runeninschriften verweisen auf Sozialstrukturen und Beziehungen zwischen „keltischen“/gälischen und skandinavischen Personen, so  z. B. die Hunterston Brosche (aus der Zeit um 700 mit einer Inschrift von ca. 900) mit dem keltischen Namen der Besitzerin Melbrigda und einer altnordischen Inschrift.

Das Skandinavische wurde schließlich im 12. Jh./13. Jh. durch das Gälische verdrängt.