Am Haddebyer Noor 5, 24866 Schleswig
Darstellung der Archäologie und Geschichte der vom 9.Jh. bis 11.Jh. bestehenden frühstädtischen Handels- und Handwerkersiedlung Haithabu in unmittelbarer Nähe der historischen Stätte.
Geschichte
Das 804 erstmals erwähnte Haithabu (altnordisch für „Hof/Dorf auf der Heide“) war im Frühmittelalter ein bedeutendes überregionales Handels- und Handwerks-zentrum der dänischen Könige in der Schleswiger Landenge am Ende des Ostseefjordes Schlei und fungierte als Schnittpunkt zwischen dem fränkischen/deutschen, skandinavischen und slawischen Raum.
Die Siedlung entstand nach der Abwanderung der meisten Angeln und Sachsen auf die britischen Inseln sowie dem Vordringen der Dänen und Jüten in der Nähe des Heerweges am Haddebyer Noor spätestens um 770 und wurde wahrscheinlich durch friesische Kaufleute gegründet.
Nach der Zerstörung des konkurrierenden slawischen Handelsortes Reric ließ der dänische König Gudfred die Siedlung ab 808 zum Handelsplatz ausbauen. Die dänischen Könige übernahmen fortan die Kontrolle über Haithabu, obgleich es immer wieder Verschiebungen der Grenze zum fränkischen Reich und späteren Heiligen Römischen Reich und Konflikte mit den fränkischen und römisch-deutschen Herrschern gab. 811 wurde der Fluss Eider als Grenze zum einen zwischen dem dänischen Reich und dem fränkischen Reich/HRR sowie zum anderen zwischen dem ehemals von dänischen und friesischen Stämmen bewohnten nördlichen Schleswig und dem einst von sächsischen Stämmen besiedelten südlichen Holstein festgelegt.
934 eroberte der ostfränkisch-sächsische König Heinrich I. nach dem Sieg über die Dänen unter König Knut I. den Ort. In der Folge stieg Haithabu zum Haupthandelsplatz zwischen dem fränkischen Reich und Skandinavien sowie der Ostsee und Nordsee auf und erlebte in der Mitte des 10.Jhs. seine Blütezeit. Das Spektrum der Gewerbe reichte von Holzverarbeitung über Texil- und Glasherstellung, Bernstein- und Geweihverarbeitung bis hin zu Eisenverhüttung, Feinmetallverarbeitung, Goldschmiedekunst und Bronzeguss. Daneben wurde Ackerbau betrieben. Haithabu verfügte über Handelsbeziehungen ins Rheinland, nach Dorestad, England, Norwegen und Schweden.
Ab dem 11.Jh. war die Stadt Schauplatz von Kampfhandlungen zwischen den Dänen und römisch-deutschen Herrschern und Norwegern. Nach der Zerstörung Haithabus durch den norwegischen König und westslawische Verbände im Jahr 1066 gab man die Siedlung, auch aufgrund der zunehmenden Versandung des Hafens, zu Gunsten des am anderen Schleiufer entstehenden und bereits in einen königlichen Pfalzbereich, einen kirchlichen Bereich mit dem Dom und einen Hafen mit Wohn- und Produktionsbereichen gegliederten Schleswig auf.
Die Siedlung an der Südgrenze des dänischen Herrschaftsbereiches schützte ein sich zum Ufer des Haddebyer Noores öffnender halbkreisförmiger Erdwall, unweit dessen sich ein Geländerücken mit einer durch einen Ringwall befestigten Hochburg und Grabhügeln erstreckte. Hinter dem Wall standen auf höher gelegenem Gelände in den Boden eingelassene kleinere Grubenhäuser (Wohn- und Produktionsstätten), in der Nähe des Noores befanden sich im Siedlungszentrum nah beieinander stehende ebenerdige Hallenhäuser und Wege mit Eichenholzbohlen. Den Abschluss bildete der Hafen mit weit in das Noor hinein reichenden Landungsbrücken. Die Häuser waren überwiegend aus als tragende Elemente in den Boden eingegrabenen Pfosten sowie Holz- und/oder Flechtwerkwänden mit Lehmverstrich in den Zwischenräumen errichtet und wohl mit Reet oder Stroh gedeckt. Die älteste Konstruktionsform war der Innengerüstbau mit Pfettendach, am häufigsten gab es den Wandgerüstbau mit Sparrendach und die jüngsten Bauformen stellten die Pfosten-Schwellriegel-Konstruktionen und Stabbauten dar. Auf dem Areal der Siedlung lagen zudem mehrere Gräberfelder, so z.B. im Südwesten unweit des Walles. Während seiner Blütezeit wurde Haithabu von ca. 1000 Menschen bewohnt: anhand der unterschiedlichen Bestattungsformen ließen sich Friesen, Schweden, Sachsen und Slawen nachweisen.
Besichtigung
Das Museum ist in ein Ausstellungs-gebäude, in dem die historischen Funde in Kombination mit Rekonstruktionen in Bezug auf Themen rund um Leben, Arbeit, Handel und Kampf in der Wikingerzeit präsentiert werden, sowie ein Freilichtmuseum mit re-konstruierten Häusern der ehemaligen Siedlung gegliedert.
Im Ausstellungsgebäude werden die unterschiedlichsten Fundstücke der archäologischen Grabungen auf dem Gelände der frühmittelalterlichen Siedlung ansprechend aufbereitet gezeigt, so z.B. Funde aus einem königlichen Bootkammergrab, in dem sich ein Schiff und zwei Kammern mit Skeletten von Pferden und Kriegern mit Beigaben befanden. Weiters sind z.B. fünf Runensteine mit altnordischen Inschriften aus der Umgebung von Haithabu ausgestellt, die wahrscheinlich als Gedenksteine dienten.
Das bekannteste Exponat ist wohl das Wrack eines Lang- und Kriegsschiffes (um 982), das im Haddebyer Noor gefunden wurde und neben einem Arbeitsboot und einem großen nordischen Frachtschiff in der Schiffshalle zu sehen ist.
Ingesamt ist die recht überschaubare Ausstellung übersichtlich und abwechslungsreich aufgebaut, allerdings haben teilweise ausführlichere Informationen zu den einzelnen Fundstücken gefehlt.
Die Außenanlagen liegen ca. einen Kilometer vom Ausstellungsgebäude entfernt innerhalb des früher die Siedlung sichernden Halbkreiswalles direkt am Haddebyer Noor. Während des Fußweges kann man sich eine alte Hainbuche, historische Schafrassen und Hochlandrinder anschauen und vom Wall aus einen Blick auf das Siedlungsareal werfen.
Anhand von sieben Gebäuden und einer Landebrücke werden hier bestimmte Bereiche des städtischen Lebens der Wikingerzeit exemplarisch dargestellt. Die Schmalseiten der rekonstruierten Häuser sind fast alle an dem von Norden nach Süden parallel zum Noor verlaufenden hölzernen Hauptweg ausgerichtet und die einzelnen Grundstücke durch Zäune aus Eichenholzbohlen oder Flechtwerk begrenzt.
Der sehr lohnenswerte Rundgang, auf dem man ein wenig in das Frühmittelalter zurück reisen kann, startet kurz hinter dem Zugangstor an der Herberge (bei deren Aussehen etwa auf das Jahr 874 Bezug genommen wurde), einer Wandgerüstkonstruktion mit Herd und zwei als Schlafstätten dienenden Podesten im Innenraum.
Von hier aus geht es auf der linken Seite des Hauptweges weiter.
Diese beginnt mit dem Haus des Holzhandwerkers (882), einem Palisadenbau aus Spaltbohlen, auf den das Haus der Händler (852) folgt. Die hölzerne Innengerüstkonstruktion mit Wänden aus von Flechtwerk umwickelten und mit Lehm verstrichenen Spaltbohlen verfügt über einen Vorderraum für die Warenlagerung und einen Hinterraum mit dem Wohn- und Schlafbereich.
Das benachbarte Haus des Tuchhändlers (833), eine aus breiten Spaltbohlen und schmaleren Pfosten zum Halten der Flechtwand bestehende Wandgerüstkonstruktion, besitzt innen einen zentralen Wohnraum mit einer Verbindung zu dem niedrigeren Stallbereich. Auch wurde hier ein frühmittelalterlicher Webstuhl nachgebaut.
Das letzte Gebäude auf der linken Wegseite ist das Haus des Kammmachers (874), ein Wandgerüstbau mit schrägen hölzernen Außenstützen und einer Wandfüllung aus Flechtwerk und Lehm. Der dreiteilige Innenbereich gliedert sich in einen zentralen Wohnraum (mit Herdplatte und seitlichen Podesten als Wohn- und Schlafstätten), einen Wohn- und Wirtschaftsbereich und einen separaten Handwerks- oder Lagerraum (mit einer für Knochen- und Hornverarbeitung eingerichteten Werkstatt).
Auf der rechten Seite des Hauptweges ist das am ursprünglichen Standort rekonstruierte Versammlungshaus (10.Jh.) das größte und die gesamte Anlage dominierende Gebäude, eine beeindruckende Pfosten-Schwellriegel-Konstruktion mit Sparrendach. Daneben steht der kleine hölzerne Blockbau des Hauses des Fischers (880er Jahre) mit einem Räucherofen vor dem Haus und einem Einbaum am Hafen.
Hinter den beiden Häusern führt eine aus mehreren Pfahlreihen bestehende Landungsbrücke (880er Jahre) in das Noor hinein.
Der Besuch des Wikingermuseums in Haithabu, dessen Highlight eindeutig die Außenanlagen sind, ist natürlich vor allem für Archäologie- und Geschichtsinteressierte zu empfehlen.
Die zahlreichen Funde und Befunde im Ausstellungsgebäude geben einen anschaulichen Einblick in die Entwicklung der frühmittelalter-lichen Handelssiedlung an der Schlei und vermitteln eine gute Vorstellung vom Leben der Menschen der sogenannten Wikingerzeit. Ein Stück weit selbst in dieses Leben eintauchen kann man bei einem Rundgang durch die gelungene Rekonstruktion eines Teiles des einstigen Handelszentrums, die durch begehbare Häuser und einige Nachbauten historischer Handwerksgeräte das nordeuropäische Frühmittelalter wieder aufleben lässt. Im Anschluss an die Besichtigungstour lädt ein recht gut sortierter kleiner Museumsshop zum Stöbern ein.
Die Besichtigung ist ganzjährig zu den Öffnungszeiten möglich. Die Außenanlagen sind nur im Sommerhalbjahr zugänglich.
Es muss Eintritt gezahlt werden.
www.schloss-gottorf.de/haithabu