1010 Wien
Von 1275 bis 1913 erbauter Gebäudekomplex aus achtzehn Trakten und neunzehn Höfen als Winterresidenz der habsburg-ischen Herrscher und seit 1945 Amtssitz des österreichischen Bundespräsidenten.
Die Wiener Hofburg vereint Baustile von der mittelalterlichen Gotik über die Renaissance bis hin zum frühneuzeitlichen Barock und spätneuzeitlichen Historismus.
Geschichte und Besichtigung
Mit dem Bau der Wiener Burg wurde noch unter den Babenberger-Herzögen begonnen, wie der Fund eines Randbogenfensters aus der Zeit Herzog Friedrichs II. des Streitbaren (1230/1240) zeigt.
Der böhmische König Ottokar II. Premysl setzte den Ausbau während seiner Herrschaft in Österreich fort. Im 13.Jh. war der heutige Schweizerhof das Kernstück einer vierschrötigen befestigten Burganlage mit vier (heute nicht mehr existierenden) Ecktürmen, die 1278 nach der Machtübernahme des ersten habsburgischen Königs Rudolf I. erstmals genannt wurde. Im Jahr 1462/1463 wurde Kaiser Friedrich III. (V. als österreichischer Herzog) im Zuge der Auseinandersetzungen mit seinem Bruder Herzog Albrecht VI. um die Herrschaft in Österreich in der Wiener Burg belagert. 1485 besetzte der ungarische König Matthias Corvinus die Burg und 1490 wurde sie durch Kaiser Maximilian I. übernommen.
Nach der ersten Wiener Türkenbelagerung (1529) ließ Kaiser Ferdinand I. die Hofburg repräsentativ ausstatten, unter anderem wurde der innere Burghof als Turnier- und Festplatz angelegt. Im Zuge der Neuerrichtung der Nordfassade entstand 1552 als Verbindung zwischen dem Burghof und dem Schweizerhof hinter dem Graben das dunkelbraun-rote, innen gewölbte Schweizertor im Stil der Renaissance. In einer Nische seitlich neben dem Tor steht der Schweizerhofbrunnen von 1552 (einst der Endpunkt der in den 1530er Jahren verlegten Wasserleitung). Der Schweizertrakt wird hinter einer Fassade aus dem 18.Jh. von der aus den 1280er Jahren stammenden und in den 1440er Jahren umgestalteten gotischen Hofburgkapelle, der Hauskapelle der Habsburger, überragt. Neben der Kapelle präsentiert die vom Kunsthistorischen Museum verwaltete Schatzkammer unter anderem die Reichsinsignien des Heiligen Römischen Reiches, die Insignien des Erzherzogtums und Kaisertums Österreich und die Heiligen Lanze. Die Besichtigung der weltlichen und geistlichen Kostbarkeiten des Hauses Habsburg ist sehr interessant und regt angesichts der mit Edelsteinen besetzten Kronen, golddurchwirkten Ornate und verzierten Reliquienschreine zum Staunen an. Im heutigen Bundesdenkmalamt (zugänglich am Tag des Denkmals) befindet sich der nach 1874 als Speisezimmer von Kronprinz Rudolf neu gestalte Ahnensaal mit einer im Neorokoko-Stil gehaltenen Wandverkleidung aus geschnitztem Nussbaumholz mit zwölf eingelassenen Portraits bedeutender Habsburger.
Der in einem hellen Gelb gehaltene ruhige Schweizerhof strahlt, auch wenn von seinem mittelalterlichen Aussehen kaum mehr etwas erhalten ist, die ganz besondere Atmosphäre einer langen Geschichte aus und ist neben dem Michaelertrakt wohl der schönste Teil der Hofburg.
Ab der frühen Neuzeit folgte nach der Verlegung des Sitzes des Kaiserhofes nach Wien sukzessive eine Erweiterung der Residenz durch die Anlegung eines neuen Traktes oder Flügels durch jeden habsburgischen Kaiser.
So fügte Maximilian II. in der Mitte des 16.Jhs. die jenseits der in den 1330er Jahren errichteten gotischen Augustinerkirche gelegene, vierseitige und dreigeschossige Stallburg mit einem Arkadenhof im Stil der Renaissance hinzu. Die Stallburg wurde im Laufe der Jahrhunderte unterschiedlich genutzt, aber seit der ersten Hälfte des 18.Jhs. waren im Erdgeschoss die Lipizzaner der Spanischen Hofreitschule untergebracht. Ebenfalls seit dieser Zeit führt ein steinerner Bogen zur Hof- bzw. Nationalbibliothek mit ihrem überkuppten barocken Prunksaal aus den 1720er Jahren, der im klassizistischen Barockstil errichteten Winterreitschule und den Redoutensälen am Josefsplatz. Im Zentrum des rechteckigen Platzes ragt seit der Wende zum 19.Jh. das Reiterdenkmal Kaiser Josephs II. (ein Repräsentant des aufgeklärten Absolutismus, der in der Mitte des 18.Jhs. gegen Katholiken und die Stände gerichtete Reformen durchführte) auf. Die am Platz entlang verlaufende Augustinerstraße säumen das 1784 erbaute Palais Pallavinci im barocken und klassizistischen Stil und das um 1575 unter Rudolf Khuen von Belasy, Freiherr von Lambach, entstandene Renaissancepalais der Fürstenfamilie Pálffy mit dem Figarosaal.
Hinter der Augustinerkirche erstreckt sich auf der Augustinerbastei das ab der Mitte des 18.Jhs. errichtete Palais Taroucca des Erzherzogs Albert von Sachsen-Teschen (Schwiegersohn Kaiserin Maria Theresias) mit klassizistischen Räumen und einer grafischen Sammlung (Albertina).
Unter Rudolf II. wurde ab 1575 bis 1611 die Amalienburg im Nordwesten des vor dem Schweizertor liegenden Turnierplatzes als Trennung zwischen dem Burghof (mit dem Denkmal Kaiser Franz II./I.) und dem Ballhausplatz gebaut. Der trapezförmige vierflügelige und dreigeschossige Bau besitzt an der Seite zum Burgplatz eine Rustika-Fassade (mit rhythmisch geschichteten Steinlagen) im Renaissancestil und einen Uhrturm mit kupfernem Zwiebelhelm. Die Amalienburg ist über zwei große Holztore zugänglich, ihre Räume im Mezzanin sind mit weißen Holzvertäfelungen mit vergoldeten Ornamenten, Stuckdecken und in Wände eingelassenen Spiegeln ausgestattet. Im 17.Jh. und 18.Jh. fungierte der Trakt als Residenz der Kaiserinnen und Kaiserwitwen und im 19.Jh. befanden sich hier die Wohnräume Kaiserin Elisabeths.
Leopold I. ließ den 1680 fertiggestellten fünfgeschossigen Leopoldinischen Trakt mit seiner frühbarocken Fassade und Repräsentationsräumen im Stil des Rokoko als Begrenzung des Burghofes zwischen dem Schweizertrakt und der Amalienburg errichten. In der Mitte des 18.Jhs. hatte Kaiserin Maria Theresia hier ihre Wohnräume, heute ist im Leopoldinischen Trakt der Amtssitz des österreichischen Bundespräsidenten untergebracht. An der Westwand der Durchfahrt zum Heldenplatz kann man noch Steinquader vom ehemaligen Widmertor aus dem 13.Jh. erkennen.
Unter Karl VI. erfolgte 1730 der Bau des fünfgeschossigen Reichskanzleitraktes gegenüber des Leopoldinischen Traktes mit einer prunkvollen spätbarocken Fassade mit drei Risaliten mit Portalen und Balkonen zum Burghof hin. Bis 1806 hatte die Verwaltung des Heiligen Römischen Reiches hier ihre Zentralstellen und im 19.Jh. bewohnte Kaiser Franz Joseph I. den Reichskanzleitrakt.
Im Jahr 1893 fügte man zwischen Winterreitschule und Reichskanzleitrakt den Michaelertrakt mit seiner geschwungenen Schaufassade, der überkuppelten Rundhalle und den konkaven Flügeln an den bisherigen Gebäudekomplex an. An den Ecken der Flügel steht jeweils ein Brunnen, der die Macht bzw. die Glorie Österreichs darstellt. Das riesige Portal besitzt ein von Säulen getragenes Hauptgesims und eine Attika mit die Herrschertugenden symbolisierenden Figuren. Durch drei von Heraklesfiguren gesäumte Eingänge gelangt man in die große Rotunde mit ihrer geschmückten Kuppel und weiter in den inneren Burghof.
Von der Michaelerkuppel aus führen zwei mächtige Stiegen in die Trakte und auf der einen Seite in die teilweise zugänglichen Kaiserappartements mit dem Sisi-Museum und der Silberkammer. Die beeindruckenden und prunkvollen Schauräume der Wiener Hofburg gliedern sich in Wohn-, Audienz- und Repräsentationsräume von Kaiser Franz Joseph I. und Kaiserin Elisabeth (Sisi) und sind im Stil des Spätbarock, Rokoko, Empire und Neobarock eingerichtet. Der Rundgang durch die Kaiserappartements im Reichskanzleitrakt und der Amalienburg beginnt in den bescheiden ausgestatteten Arbeits- und Wohnräumen von Franz Joseph. Hier sind z.B. das Trabantenzimmer (in dem die Leibgarde Wache hielt), der Audienzwartesaal und das Audienzzimmer, das Konferenzzimmer, das Arbeitszimmer, das Schlafzimmer und der Große und Kleine Salon zu sehen. An die Räumlichkeiten des Kaisers schließt sich der in Weiß, Gold und Scharlachrot gehaltene Trakt der Kaiserin mit dem Schlaf-, Turn- und Badezimmer, dem Großen und Kleinen Salon (Empfangszimmer), dem Roten Salon (mit französischen Möbeln und Gobelins) und dem Speisesaal an. Bei der Besichtigung der Schauräume reist man ein wenig in die Habsburgermonarchie des 18.Jhs. und 19.Jhs. zurück und bekommt einen Eindruck von dem von einem strengen Hofzeremoniell geprägten Leben des Kaiserpaares.
Die letzte Erweiterung der Hofburg war 1913 die Errichtung der Neuen Burg als Begrenzung des Heldenplatzes im Südosten. Das große, von Säulengängen geprägte Gebäude mit dem vorspringenden Mittelrisalit mit Portal, geschwungenen langen Seitenflügeln und Eckrisaliten ist der Sitz von Teilen des Kunsthistorischen Museums und der Nationalbibliothek. Der quadratische Bau des Corps de Logis und der Festsaaltrakt verbinden die Neue Burg mit dem Leopoldinischen Trakt. Sie beherbergt heute die Waffensammlung der Hofjagd- und Rüstungskammer, eine Sammlung historischer Musikinstrumente, die Papyrussammlung, das Museum für Völkerkunde (Weltmuseum Wien) und das Ephesos-Museum.
Weitere Elemente der Hofburg sind der in der Mitte des 19.Jhs. angelegte und zum Volksgarten überleitende repräsentative Heldenplatz mit Reiterstatuen von Prinz Eugen und Erzherzog Karl sowie das 1824 vollendete Äußere Burgtor an der Ringstraße, ein mächtiger klassizistischer Bau mit dorischen Säulen (der an der Stelle des Festungstores auf der Burgbastei errichtet wurde) und heute ein Kriegerdenkmal.
Die Hofburg wird schließlich von zwei Parkanlagen umschlossen. An der Rückseite der Neuen Burg und der Albertina liegt der Burggarten mit einer abwechslungsreichen Bepflanzung und vielen Denkmälern (z.B. Mozarts und Kaiser Franz Josephs I.). Er wurde ab dem frühen 19.Jh. an der Augustinerbastei ursprünglich als „Hofgarten“/„Kaisergarten“ für das Herrscherhaus angelegt. Das Zentrum des Parkes bildet das parallel zur Augustinerbastei verlaufende und secessionistisch beeinflusste Palmenhaus von 1902, in dem sich das Schmetterlingshaus und ein Café befinden. An den Leopoldinischen Trakt und den Heldenplatz schließt der am Anfang des 19.Jhs. angelegte Volksgarten an, dessen Rosenstöcke und -beete sowie filigrane Denkmäler (z.B. Kaiserin Elisabeths und Franz Grillparzers) ihm ein elegantes Flair verleihen.
Vor allem abends, wenn die Touristenströme etwas versiegt sind, besitzt die Hofburg ein einzigartiges historisches Ambiente, in dem die jahrhundertelange Herrschaft der Habsburger bis heute gegenwärtig und lebendig ist. Einen Gang durch den wunderschönen repräsentativen Michaelertrakt mit seiner imposanten Kuppel, den idyllischen mittelalterlichen Schweizertrakt Richtung Burggarten, über den von Schweizertrakt, Leopoldinischem Trakt, Amalienburg und Reichskanzleitrakt umschlossenen inneren Burghof und weiter durch den Leopoldinischen Trakt Richtung Heldenplatz sollte man dann nicht verpassen.
Die Wiener Hofburg ist aufgrund ihrer Funktion als herzogliches und kaiserliches Herrschaftszentrum, ihrer sehenswerten Bauten vom Mittelalter bis zur späten Neuzeit und ihrer bedeutsamen kultur- und kunstgeschichtlichen Schätze ein überaus beeindruckender Gebäudekomplex, in dem es an und in den einzelnen Trakten und Sammlungen der Museen viele architektonische und verzierende Details zu entdecken gibt. Neben den üblichen Touristenartikeln bieten mehrere Museumsshops auf dem Areal der Hofburg informative weiterführende Literatur zu den Habsburgern und ihren Kunstschätzen an. Man kann so leicht einen ganzen Tag mit der Besichtigung und Erkundung der Hofburg verbringen und sie ist neben Schloss Schönbrunn und dem gotischen Stephansdom sicherlich die wichtigste Sehenswürdigkeit in Wien.
Die Außenbesichtigung ist ganzjährig und jederzeit, die Innenbesichtigung zu den Öffnungszeiten möglich.
Für den Besuch der Innenräume und Museen muss Eintritt gezahlt werden.