Corvey-am-Hafen 1, 37671 Höxter
Als ehemalige Reichs- und Fürstabtei einerseits bedeutendes Kloster des fränkischen Reiches und reichsunmittelbare Benediktinerabtei mit enger Verbindung zu römisch-deutschen Kaisern sowie andererseits barocke Schlossanlage mit fürstlicher Bibliothek.
Das heutige Erscheinungsbild Corveys ist eine sich im Norden der Klosterkirche um zwei Höfe gruppierende vierflügelige Schlossanlage, die von einem mit Mauern umgebenen Grabensystem umschlossen ist.
Geschichte
Kloster Corvey wurde im Jahr 815 durch den Abt von Corbie an der Somme mit der Zustimmung des fränkischen Kaisers Ludwig des Frommen, veranlasst durch seinen Vater Karl den Großen, als erstes Kloster im Gebiet der germanischen Stämme der Sachsen in Hethis gegründet und stand zunächst noch in Abhängigkeit zu Corbie. Wenige Jahre später verlegte man den Sitz des Konventes an die Stelle des heutigen Corvey und wurde so unabhängig.
Nach der Überführung der Reliquien des heiligen Stephanus und des heiligen Vitus und dem Erhalt des Markt- und Münzrechtes (833) erlebte das Kloster im 9.Jh. und 10.Jh. seine Blütezeit. Corvey entwickelte sich zu einem wichtigen Zentrum des Christentums in Nordwesteuropa und vermittelte die westfränkische Kultur in Sachsen (z.B. über die unter anderem in einer Handschrift aus Corvey erhaltene, um 830 verfasste altsächsische Erzählung Heliand, die im Stil germanischer Heldendichtung vom Leben Jesu berichtet und dabei versucht, den Sachsen die neue christliche Religion vor ihrem vertrauten germanischen Vorstellungshintergrund zu erklären). Zudem missionierte Corvey in Skandinavien, konzentrierte sich ab dem 10.Jh. aber auf die Kultur des sächsischen Bereiches.
Im 11.Jh. war Corvey ein Reformkloster, in dem Laienbruderschaften (Mitglieder in einer klerikalen Ordensgemeinschaft ohne Priesterweihe) entstanden. Das Kloster wandte sich zunehmend von den salischen Herrschern des Heiligen Römischen Reiches ab und dem Papst (Gregor VII.) zu. Aufgrund der Machtzunahme der aus Süddeutschland kommenden staufischen römisch-deutschen Herrscher und der Schwächung des Königtums schufen die Äbte von Corvey ein eigenes, geschlossenes Territorium, was Konflikte mit den umliegenden Herrschaftsbereichen und Besitzverluste zur Folge hatte.
Ab dem frühen 16.Jh. hatte Corvey während seiner Zugehörigkeit zum Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreis und damit einer Stimme des Abtes im Rat der Reichsfürsten erneut einen Aufschwung zu verzeichnen und war ein Zentrum der Gegenreformation und Rekatholisierung.
Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Abtei stark zerstört, durch den Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen aber wieder belebt. Er ließ in der zweiten Hälfte des 17.Jhs. neue Abteigebäude im barocken Stil errichten. Beginnend mit dem Neubau der Kirche entstand bis 1758 eine repräsentative Residenz der Fürstäbte.
Nach einem eigenen Säkularisierungsantrag und einer kurzen Zeit als Fürstbistum (1794) wurde die Abtei mit dem Reichsdeputationshauptschluss 1803 (Auflösung der geistlichen Herrschaften und Übergabe in weltlichen Besitz) aufgehoben und kam an die Grafen von Nassau-Dillenburg. 1822 fiel Corvey an den Landgrafen von Hessen-Rotenburg, der seinen Erben den Titel Herzog von Ratibor und Fürst von Corvey vermachte. Mit dem Übergang des geistlichen Fürstentums an weltliche Herren wurde der Gebäudekomplex im Stil des Biedermeier umgestaltet. Seit 2014 ist Corvey UNESCO-Welterbe.
Besichtigung
Der sehr lohnenswerte Rundgang über das Abtei- und Schlossgelände beginnt an der von Herrscherstatuen flankierten steinernen Brücke, von der aus sich ein guter Blick auf die von Wirtschaftsgebäuden gesäumten Rasenflächen mit einem recht alten Baumbestand bietet.
Die Innenbesichtigung startet man am besten in der barocken Abteikirche mit dem aus dem 9.Jh. stammenden karolingischen Westwerk, das mit Atrium und Arkaden versehen ist. Die Abteikirche wurde zwischen 830 und 885 als dreitürmige Anlage mit Langhaus mit schmalen Seitenschiffen errichtet. An die heute barocke Kirche schließt sich das über eine kleine Stiege in der kreuzgratgewölbten und von Pfeilern getragenen Eingangshalle erreichbare Westwerk an, das sicherlich das Highlight der Anlage darstellt. In dem zweigeschossigen, überwiegend weiß gekalkten Mittelraum des Westwerkes sind Arkaden aus der Karolingerzeit mit Fresken aus dem 9.Jh. zu sehen, die am Gewölbeansatz antike Motive aus der Odyssee zeigen. Bei der Besichtigung fühlt man sich ein Stück weit in das Frühmittelalter zurück versetzt und wünscht sich schon ein wenig, die Kirche kurz nach ihrer Entstehungszeit sehen zu können. Im Hochmittelalter wurde das Westwerk zu einer das heutige Bild der Kirche prägenden Front mit zwei Flankentürmen und einem Mittelbau mit Erker umgestaltet. Im 17.Jh. baute man die Abteikirche im gotisierenden Stil zu einem Saalbau mit Kreuzrippengewölbe um und stattete sie barock aus.
An die Abteikirche grenzt der südliche Hof mit einem Kreuzgang aus dem 18.Jh. an, über den man den ruhigen und idyllischen Friedgarten im Innenhof erreichen kann. Von hier aus führt der Rundgang weiter in den nördlichen Hof mit seinen zwei Ecktürmen und zu den Trakten der barocken Schlossanlage. Hier befinden sich der mit Portraits der Herrscher des fränkischen und Heiligen Römischen Reiches geschmückte Kaisersaal, die herzoglichen Prunk- und Wohnräume aus dem 18.Jh. und 19.Jh. im Stil des Empire sowie die sich über mehrere Räume erstreckende fürstliche Bibliothek mit Bücherschränken aus dem Klassizismus und dem Biedermeier sowie einem wertvollen Bestand. Von 1860 bis 1874 war der Dichter Hoffmann von Fallersleben hier Bibliothekar. Seine Grabstätte kann man auf dem kleinen Friedhof neben der Abteikirche besuchen.
Im Obergeschoss des Schlosses ist eine interessante Ausstellung zur Geschichte der Stadt Höxter von dem frühmittelalterlichen Siedlungskern „villa Huxori“ bis zur Mitte des 18.Jhs. untergebracht. Die gelungene Präsentation vermittelt in einer guten Mischung aus Texttafeln, Ausgrabungsstücken, Rekonstruktionen und großen Bildern, auf denen die verschiedenen Zeiten nachgemalt wurden, die historischen Entwicklungsstufen Höxters vom mittelalterlichen Brückenmarkt bis zur Zeit als Hauptstadt des Territoriums der reichsunmittelbaren Fürstabtei Corvey. Themen sind z.B. frühmittelalterliche Grubenhäuser als Keimzellen der Siedlung, Handel und Verkehr im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit sowie die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in einer mittelalterlichen Stadt.
Die Abtei und das Schloss Corvey sind eine sehr sehenswerte Anlage mit viel historischer Atmosphäre und langer, überaus bedeutsamer Vergangenheit. In dem prachtvollen Gebäudekomplex stehen frühmittelalterliche Architektur und barocker Prunk sowie geistliche und weltliche Elemente dicht nebeneinander. Für jedes Interesse ist bei der Besichtigung etwas Passendes dabei und es fällt leicht, auf dem weitläufigen Areal für einige Stunden in frühere Zeiten einzutauchen und das einzigartige Ambiente zu erleben. Im Anschluss an die Erkundungstour kann man sich im Museumsshop noch mit weiterführender Literatur und anderen Dingen eindecken.
Die Besichtigung ist von Ende März bis Oktober zu den Öffnungszeiten möglich.
Es muss Eintritt gezahlt werden.