Abusinastraße 16, 93333 Neustadt an der Donau
Auf dem Donau-Hochufer liegende Reste und rekonstruierte Wehranlagen des römischen Militärlagers Abusina als Teil bzw. Endpunkt des Raetischen Limes.
Geschichte
Die Geschichte des Limes reicht bis in die Zeit um 15. v. Chr. zurück, als unter Augustus Legionen an die Grenzen verlegt wurden und die Prinzen Drusus und Tiberius den Alpenraum bis zur Donau eroberten. Nach ersten durchgehenden Ketten aus Wachttürmen sowie Beobachtungsposten an Verbindungswegen zwischen Siedlungen und Standlagern von Auxiliarverbänden unter Kaiser Claudius begann unter Kaiser Domitian ab den 70er Jahren (nach dem römischen Sieg gegen den germanischen Stamm der Chatten) die Sicherung der nördlichen Grenze des römischen Reiches zu Germanien durch das spätere Grenzbefestigungssystem des Limes (ursprünglich eine Bezeichnung für die Erschließung und Einteilung eines Geländes bzw. einen gebahnten Weg).
Unter Kaiser Hadrian erreichte das römische Reich seine größte Ausdehnung. Zur Festigung der Grenzen ließ er den Limes in der ersten Hälfte des 2.Jhs. weiter ausbauen und die bisher weitgehend offene Postenkette in ein geschlossenes Grenzschutzsystem aus Kastellen, Palisaden, Wallanlagen und Straßen (mit hölzernen, ab 165 auch steinernen Wachttürmen) umwandeln. Der Limes wurde in der Folgezeit unter der Nutzung von natürlichen Barrieren wie dem Rhein und der Donau mit ingesamt über 900 Wachttürmen und 100 Militärlagern (in der Provinz Obergermanien als Holzpalisade bzw. Erdwall und Graben, in Raetien als Steinmauer ausgeführt) befestigt. Er diente primär als bevölkerungs- und wirtschaftspolitische Steuerungs- und Kontrolllinie zum nichtrömischen Raum sowie zur Demonstration der römischen Errungenschaften, weniger zu militärischen Zwecken. Die römischen Abgesandten standen in stetigem Konrakt mit den Stämmen jenseits der Grenze, wodurch sich von durch romtreue Stammesführer und Vasallenkönige beherrschte Pufferzonen unter dem Einfluss diplomatischer und militärischer Mittel Roms entwickelten. Zur Einschätzung von drohenden Gefahren für die Provinzen und der eventuellen Ergreifung von militärischen Maßnahmen betrieben die Römer am Limes eine Vorfeldkontrolle.
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Wanderungen und Verschmelzungen von Stämmen, der Angriffe von Außen (mit dem Ziel der Teilhabe am Reichtum Roms als Verbündete oder Plünderer) in den orientalischen und germanischen Provinzen und der Schwächung des römischen Reiches im Inneren erfolgte ab der Mitte des 3.Jhs. eine planmäßige Räumung des Limes und eine Verringerung der Truppenstärke im Laufe der folgenden Jahrhunderte. Truppen wurden ins Hinterland ver- und eine neue, primär zu Verteidigungs- und Abwehrzwecken und zur militärischen Sicherung des Hinterlandes dienende Befestigungslinie mit einer Kette kleiner, stark befestigter Kastelle an Flüssen und Küsten angelegt. Trotz einiger Konsolidierungskriege führten die Ansiedlungen von im römischen Dienst stehenden, halbautonomen germanischen Föderateneinheiten ab dem 4.Jh. jedoch zur Unterwanderung der staatlichen Institutionen und Macht der römischen Kaiser durch germanische Heerführer und trugen zum Fall des Limes bei.
Das Kohortenkastell Abusina entstand um 80 n. Chr. unter dem flavischen Kaiser Titus zur Sicherung des unter anderem entlang der Donau auf dem Gebiet der seit Kaiser Domitian (um 85) regulären römischen Provinzen Germania Superior und Raetia verlaufenden Obergermanisch-Raetischen Limes zwischen dem Alen-Kastell Pförring (Neustadt an der Donau) und dem Legionslager Castra Regina (Regensburg) bzw. ab dem späten 3.Jh. des Donau-Iller-Rhein-Limes. Die im Kastell stationierte Cohors IIII Gallorum erbaute es zunächst aus Holz und Erde mit Fachwerkhäusern im Inneren. Fächerförmig um das Militärlager herum entwickelte sich in der Folge eine Zivilsiedlung (vicus).
Im frühen 2.Jh. wurde Abusina durch eine Vexillatio der Cohors II Tungrorum milliaria equitata und ab 153 durch die Cohors III Britannorum equitana belegt. Zur Zeit der Kaiser Antoninus Pius und Marcus Aurelius sowie angesichts der durch das Vordringen größerer Stämme von Norden und der Vertreibung kleinerer Gruppen nach Süden an den Limes ausgelösten Markomannenkriege baute man das Lager zu einem Steinkastell aus. 213 hielt sich Kaiser Caracalla während des Krieges gegen die Alamannen in Abusina auf. Die germanischen Alamannen waren es auch, die ab 233 das Kastell zerstörten und damit zum allmählichen Zusammenbruch der römischen Grenzwehren in der Provinz Raetia beitrugen.
Heeresreformen unter den Kaisern Diocletianus und Constantinus am Ende des 3.Jhs. und Anfang des 4.Jhs. sowie der Ausbau des Donau-Iller-Rhein-Limes ermöglichte jedoch ein Standhalten der Garnison in Abusina. Man verringerte den Personalbestand und errichtete eine Kleinfestung (burgus) in der Südwestecke des alten Kastells. Die restliche Fläche diente nun der Zivilbevölkerung als Wohnbereich. In der Mitte des 5.Jhs. wurde Abusina endgültig durch die Alamannen zerstört.
Heute ist das ehemalige Kastell mit seinen erhaltenen bzw. teilweise rekonstruierten Wehrmauern und Mauerzügen der Innenbauten Teil des UNESCO-Welterbes Obergermanisch-Raetischer Limes.
Besichtigung
Der Rundgang über das weitläufige Areal des Kastells und des es umgebenden Lagerdorfes beginnt an einem kleinen Aussichtsturm, an dem Schautafeln über die Geschichte Abusinas informieren und in Kombination mit den Mauerzügen einen anschaulichen Eindruck vom einstigen Aussehen des Lagers vermitteln.
In der Nähe des Eingangsbereiches befinden sich Mauerreste von Gebäuden des nördlich des Kastells gelegenen zivilen Lagerdorfes, das von der Donausüdstraße und einem nach Osten abzweigenden Verkehrsweg durchzogen wurde und eine Therme und eine mansio (eine Herberge und Pferdewechselstation) besaß.
Das frühere Nordtor des Kastells durchschreitend gelangt man in das ehemalige kaiserzeitliche Militärlager. Es wurde an drei Seiten durch einen doppelten Spitzgraben und eine an den Ecken abgerundete, durch Türme gesicherte Wehrmauer mit vier von je zwei Türmen flankierten Toren und einer stützenden Erdrampe an der Innenseite umschlossen.
Im nördlichen Teil des Kastells lassen sich an der Ostseite langgestreckte Gebäude mit Mannschaftsunterkünften und in der Nordwestecke das Praetorium (Wohnhaus des Legionsstatthalters und -kommandanten) ausmachen. Im Zentrum der Anlage erhob sich das Stabsgebäude Principia als topographischer und organisatorischer Mittelpunkt. Einst verfügte es über eine Vorhalle, einen von Waffenmagazinen eingeschlossenen Hof, eine mehrschiffige Querhalle und das Lagerheiligtum mit den Feldzeichen, einem anschließenden Archiv und Versammlungsräumen. Der südliche Kastellbereich nahm weitere Mannschaftsbaracken sowie Magazine und Lagergebäude auf.
In der Südwestecke Abusinas sind die Mauern der spätantiken Kleinfestung zu sehen, deren Besonderheit das an einer Stelle angebrachte Fischgrät-Mauerwerk darstellt.
Bis ca. 260 belegt, bildete das nördlich gelegene Kleinkastell Hienheim gemeinsam mit Abusina die östlichste Flanke des Obergermanisch-Raetischen Limes (kurz vor dem Beginn des bis zum Schwarzen Meer verlaufenden Donaulimes). Die 16 x 16m große quadratische Anlage bestand aus einer steinernen Umfassungsmauer mit einem vorgelagerten Spitzgraben im Westen, Norden und Osten sowie hölzernen Innengebäuden. Am Ende des Obergermanisch-Raetischen Limes wurde auf dem Weinberg ein einst über zwei benachbarte Steinbauten verfügender Wachtturm rekonstruiert, der bestiegen werden kann und einen Ausblick auf den ehemaligen Verlauf des Limes bietet. Dessen Wachttürme errichtete man in der ersten Bauphase des Limes aus Holz meist auf einer von einem rechteckigen Graben umgebenen inselartigen Plattform. Über dem manchmal begehbaren Erdgeschoss befanden sich im ersten Stock der Wohnraum der Besatzung und eine Wachstube mit Zugang zu einer Umlaufgalerie sowie ein mit Holzschindeln gedecktes pyramidenförmiges Dach oder Satteldach. Ab 180 wurden die hölzernen Türme durch Steintürme häufig aus mit Kalkmörtel verputztem Bruchstein ersetzt. Ab den 160er Jahren verband man die Limestürme durch Holzpalisaden und ab dem Anfang des 3.Jhs. durch Steinmauern.
Die Besichtigung ist ganzjährig und jederzeit möglich.